Das Geld, das liebe Geld
Das Geld, das liebe Geld: Wer finanziert „Die DDR im Film“?
Wer über deutsche Filme spricht, muss über die Filmförderung reden. Es gibt in diesem Land so gut wie keinen Streifen, der ohne öffentliche Gelder in die Kinos oder in das Fernsehen kommt (vgl. Zwirner 2012: 11). Das beginnt oft bereits bei der Stoffentwicklung (Drehbuch) und endet nicht bei der Produktion, da auch Werbung und Vertrieb Ressourcen benötigen (Kopien, Verleih, Festivalauftritte) – Geld, das der „Markt“ kaum bereitstellen kann, wenn Leinwände im Ausland schwer zugänglich sind und im Inland pro Jahr nur knapp 120 Mio. Tickets verkauft werden (2019, mit den Corona-Lockdowns 2020 und 2021 ins Bodenlose gefallen), von denen die allermeisten noch dazu an Hollywood-Blockbuster gehen.
„DDR im Film“ heißt unter diesen Bedingungen auch: „DDR in der Filmförderung“ oder „DDR im politischen Gedächtnis“. Wo Steuergelder ausgegeben werden, sind Parteien und Lobbyismus jeder Art nicht weit. Das gilt auch für öffentlich-rechtliche Fernsehereignisse, da die Budgets der Rundfunkanstalten von Gremien kontrolliert werden, denen man nicht Unrecht tut, wenn man sie als politik- und wirtschaftsnah bezeichnet. Neben der Quelle Rundfunkbeiträge gibt es in Deutschland zwei Ebenen der Filmförderung:
- Bund – über die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (Filmetat 2019: rund 200 Mio. Euro, davon 125 Mio. für den Deutschen Filmförderfonds (DFFF) und 15 Mio. Euro für den German Motion Picture Fund, der digitale Projekte unterstützt) sowie über die Filmförderungsanstalt (FFA), die auch die DFFF-Anträge bearbeitet und aus Etatmitteln sowie aus Abgaben der Filmwirtschaft gespeist wird (Etat 2019: 74 Mio. Euro), und
- Länder (2019: insgesamt gut 180 Mio. Euro) – etwa über den FilmFernsehFonds Bayern (FFF, 42 Mio. Euro), das Medienboard Berlin-Brandenburg (MBB, 35 Mio. Euro), die Mitteldeutsche Medienförderung (MDM, knapp 17 Mio. Euro) oder die MV Filmförderung (neu seit Ende 2020, in jenem Jahr etwas mehr als eine Mio. Euro).
In den Auslandsvertrieb investieren beide Ebenen gemeinsam (über German Films). Dazu kommen im Einzelfall EU-Töpfe, lokale Organisationen und gerade bei Produktionen zum Thema DDR auch andere staatliche Förderinstitutionen wie zum Beispiel aus Tschechien, wo man Locations hat, die noch wie „früher“ aussehen, und ein Interesse, ausländische Filmteams ins Land zu holen. Allein die deutschen Förderer haben 2019 zusammen über 450 Mio. Euro für Filme ausgegeben.
Wichtig ist: Über die Vergabe der Gelder entscheiden Kommissionen oder Gremien, die immer auch politisch besetzt sind, obwohl als wichtigste Kriterien die künstlerische Qualität und Ertragserwartungen (also: Wirtschaftlichkeit) genannt werden. Zur siebenköpfigen Jury der MV Filmförderung gehört 2020/21 zum Beispiel auch André Zabel als Vertreter der Staatskanzlei. Dazu kommt gerade bei solchen Ländertöpfen ein Regionaleffekt. Etwas verkürzt: Wenn Bayern einen Film fördert, dann sollte er etwas mit Bayern zu tun haben (über den Inhalt, die Beteiligten, die Drehorte), so für Bayern werben oder zumindest garantieren, dass ein Teil der Gelder wieder in Bayern ausgegeben wird. Filmförderung ist dabei nicht gleich Filmförderung. Es gibt Zuschüsse, die völlig unabhängig vom Erfolg sind, aber auch Rückzahlklauseln, wenn eine bestimmte Umsatzmarke überschritten wird. In aller Regel wird kein Film von einer einzigen Institution gefördert. Üblich sind Mischfinanzierungen, auch mit TV-Veranstaltern oder privaten Geldgebern (Produktionsfirmen oder Mäzenatentum und eher selten Kredite, da der Rückfluss kaum garantiert werden kann). Einer Filmproduktion geht deshalb mühsame Antragsprosa voraus. Die Bewilligungsraten liegen im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Der Filmkritiker Georg Seeßlen (2020) fasst das so zusammen: Bevor ein Drehbuch „in der deutschen Förder- und Fernsehmaschine endlich realisiert werden kann, haben ungefähr so viele Leute hineingeredet wie Lobbyisten bei einem Berliner Gesetzentwurf“.
Diese Abhängigkeiten haben Folgen. Nicht nur Georg Seeßlen (2020) beklagt die „vielen großen Ideen und guten Projekte, die entweder im Vorfeld“ scheitern „oder auf dem Weg vom Entwurf zur Realisierung Saft und Kraft, Freiheit und Rebellion verlieren“. Fast noch wichtiger erscheint der Blick auf die Vermarktungsmöglichkeiten, zumal Vertreter der Filmwirtschaft die Gremien dominieren. Noch einmal das Beispiel MV Filmförderungen (weil es so überschaubar ist): Neben dem Politiker Zabel besteht die Jury dort 2020/21 aus einer Wissenschaftlerin (Elizabeth Prommer), einer NDR-Frau (Birgit Müller), einem Kinobetreiber und drei Leuten aus der Filmproduktion. „Im Zentrum stehen dann die ökonomischen Handlungslogiken der Akteure sowie die daraus resultierenden Produktionsbedingungen, die darüber entscheiden, welche Projekte mit welcher Zielsetzung realisiert werden können und welche nicht“ (Dörner/Vogt 2012: 25).
Thomas Wiedemann (2018) hat in einer vielbeachten Interview-Studie zum Regiestuhl-Habitus gezeigt, wie der Nachwuchs diese Strukturen internalisiert – spätestens auf einer der drei Filmhochschulen in Babelsberg, München oder Ludwigsburg, die man als Nadelöhr für den Eintritt in die Branche sehen kann. Die Ausbildung ist bei Wiedemann (2019: 221) ein Ort, an dem man „nicht nur Startkapital für den Eintritt ins Feld“ sammelt (vor allem: Hand- und Netzwerk), sondern „auch mit den Gesetzmäßigkeiten der Branche vertraut“ gemacht „und zu feldkonformem Verhalten angeleitet“ wird. Im Klartext: Jede neue Generation lernt hier von den Alten, welche Ideen und vor allem welche Personalkonstellationen (Cast, Produktionsfirmen, Kameraleute) im Kampf um die öffentlichen Töpfe Erfolg versprechen. Wiedemann (2019: 222) weiter: „Dass der Filmförderkomplex Feldpositionen für Filmschaffende jenseits des Mainstreams bereitstellt, mag zwar dafür sorgen, dass Nischenproduktionen realisiert werden und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erhalten. Ein Ausbrechen aus gesellschaftlichen Machtstrukturen (und ein möglicherweise breiteres Spektrum filmischer Wirklichkeitskonstruktionen) geht damit jedoch nicht einher.“
„Die DDR im Film“ spiegelt damit auch Definitionsmachtverhältnisse (vgl. Beck 2017). Wer hat es geschafft, seine Sicht auf die Vergangenheit auf die Leinwand oder auf den Bildschirm zu bringen? Welche Themen und welche Perspektiven werden dort für wichtig gehalten, wo über die Vergabe von Steuermitteln entschieden wird? Welche Lebensentwürfe und welche Milieus aus der DDR werden so tradiert und welche vielleicht auch nicht?
Dieses Portal lädt damit zur Forschung ein und bietet (hoffentlich) die Möglichkeit, solchen Fragen systematisch nachzugehen. Grenzen setzten dabei nur die eigene Kreativität und das, was die Kategorien hergeben, die wir hier bedienen. Ein paar Beispiele: Welchen Erfahrungshintergrund haben die Menschen mitgebracht, die „Die DDR im Film“ geschaffen haben? Wie alt sind diese Menschen, was können sie in Kindheit und Jugend gesehen haben, welche Beziehung hatten sie zur DDR, als es diesen Staat noch gab, und wie ist es danach weitergegangen? War das Thema „DDR“ ein Zufallstreffer (bedingt vielleicht sogar durch ein Gelegenheitsfenster in den Förderstrukturen) und hat es einen systematischen Platz in der Filmografie? Wie hoch ist der Anteil der Frauen oder der Ostdeutschen vor oder hinter der Kamera? Wie steht es mit Dissidenten, SED-Mitgliedern, Ausländern? Vor allem: Was folgt aus dem einen oder aus dem anderen für das jeweilige Bild der Vergangenheit? Und nicht zuletzt: Wer formt und fördert welches Bild?
Literatur
Ulrich Beck: Die Metamorphose der Welt. Berlin: Suhrkamp 2017
Andreas Dörner, Ludgera Vogt: Unterhaltungsrepublik Deutschland. Medien, Politik und Entertainment. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2012
Georg Seeßlen: Genug vom cineastischen Magerquark! In: Die Zeit vom 10. September 2020
Thomas Wiedemann: Die Logik des Filmemachens. Zwölf Interviews mit deutschen Filmregisseurinnen und -regisseuren. Köln: Herbert von Halem 2018
Thomas Wiedemann: Filmregisseurinnen und Filmregisseure in Deutschland. Strukturen und Logik eines heteronomen Berufsfeldes. In: Publizistik 64. Jg. (2019), S. 205-223
Anke Zwirner: Finanzierung und Förderung von Kinospielfilmen in Deutschland. Herausforderungen und Chancen für junge Produzenten. Wiesbaden: Springer VS 2012
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