Dessau Dancers
Inhalt
- Kurzinformationen
- Filmdaten
- Kurzbeschreibung
- Schlagworte
- Entstehungskontext
- Beteiligte
- Filminhalt
- Handlung
- Figuren
- Gesellschaftsbild
- Ästhetik und Gestaltung
- Strategien der Authentizitätskonstruktion
- Rezeption
- Reichweite
- Rezensionen
- Auszeichnungen
- Einordnung in den Erinnerungsdiskurs
-
Empfehlung der Autorin
- Literatur
Entstehungskontext
Beteiligte
Für Regisseur und Drehbuchautor Jan Martin Scharf (Jahrgang 1974) war Dessau Dancers die erste Kinoproduktion und bislang der einzige Film mit DDR-Bezug. Im Deutschlandfunk verwies der gebürtige Kölner auf seine DDR-Verwandtschaft in Suhl. Durch regelmäßige Besuche kenne er die DDR auch „aus eigener Anschauung“. Scharf sagte, dass er sich für die
Hiphop-Kultur interessiere und für die Frage, „inwieweit man seine Überzeugungen opfert oder inwieweit man seine Kunst anpasst, um möglicherweise kommerziell erfolgreicher zu sein“. Dass die Hiphop-Kultur in der DDR „vor dem Hintergrund des SED-Regimes natürlich ganz anderen, existenzielleren Nöten ausgesetzt war“, habe die Geschichte der Ost-Breakdancer letztlich erzählenswerter gemacht als die der bundesrepublikanischen Tänzer. Scharf ging es nicht darum, einen Film mit dokumentarischem Charakter zu machen. Vielmehr sollte „ein Tanzfilm mit Geschichte“ erzählt werden.
Die aus Bayern stammende Drehbuchautorin Ruth Toma (Jahrgang 1956) ist ebenfalls nicht DDR-sozialisiert. Anhand ihrer Filmprojekte lässt sich eine Vorliebe für historische Themen erkennen. Es gibt von ihr zwei weitere Filme mit DDR-Bezug: Romeo (2001) und Friedliche Zeiten (2008).
Produziert wurde Dessau Dancers von Janna Velber (Boogiefilm). Für Boogiefilm war Dessau Dancers die letzte Produktion. Vorher stand die Produktionsfirma vor allem für Kurzfilme. Die Co-Produktion übernahmen Helge Sasse und Solveig Fina (Senator Film Köln). Die Senator Film Produktion gehört seit ihrer Gründung 1987 zu den führenden deutschen Filmproduktionsunternehmen. Seit 2015 ist sie eine 100-prozentige Tochter der Wild Bunch AG. Außerdem an der Produktion beteiligt waren SWR und WDR.
Dessau Dancers wurde mit knapp 1,3 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln gefördert.
Film- und Medienstiftung NRW (Düsseldorf) | 500.000 € | 2012 |
Mitteldeutsche Medienförderung (Leipzig) | 500.000 € | 2012 |
Deutscher Filmförderfonds (Berlin) | 295.000 € | 2013 |
Im Vorspann steht auch das Kuratorium junger deutscher Film als Förderer.
Es gab einen knapp zweiminütigen Filmtrailer sowie Interviews mit dem Regisseur Jan Martin Scharf zum Kinostart (Deutschlandfunk Kultur, jetzt.de).
Der Film ist als DVD, BluRay und bei verschiedenen Video-on-Demand-Anbietern verfügbar (YouTube, Amazon, iTunes). Auf der Website der Produktions- und Verleihfirma Senator kann man filmpädagogisches Begleitmaterial abrufen, das für die Schulfächer Deutsch, Geschichte, Musik, Kunst, Ethik/Religion und Sozial-/Gemeinschaftskunde ab der neunten Klasse eingesetzt werden kann.
Zur Premiere des Films im UCI-Kino Dessau wurden Tänzer eingeladen, die tatsächlich in der DDR der 1980er Jahre aktiv in der Breakdance-Bewegung waren. Sie gaben dem Publikum im Foyer eine Kostprobe ihres Könnens.
Filminhalt
Handlung
Dessau 1985. Der 18-jährige Frank sieht den US-amerikanischen Breakdance-Film Beat Street im Kino. Davon inspiriert gründet er mit seinem Freund Alex, der Turnerin Matti und dem Tänzer Michel die Gruppe Break Beaters. Die Jugendlichen rufen schon nach kurzer Zeit die Sicherheitsbehörden auf den Plan. Angesichts der Beliebtheit von Breakdance unter den Jugendlichen der DDR soll die neue Bewegung unter dem Dach der FDJ in sozialistische Bahnen gelenkt werden. Die Break Beaters erhalten vom Komitee für Unterhaltungskunst die Zulassung B und dürfen ab sofort als „Volkskunstkollektiv“ mit ihrem „akrobatischen Showtanz“ durch die DDR reisen. Als Trainer wird ihnen „Olympia-Hartmann“ zur Seite gestellt, der die Tanzgruppe auf Kurs halten soll. Anfangs genießen die Vier ihre Privilegien, merken aber bald, dass ihre Performances nicht mehr mit den Breakdance-Idealen vereinbar sind. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere steht ein Live-Auftritt in der DDR- Unterhaltungsshow Ein Kessel Buntes an. Die Break Beaters tanzen allerdings nicht die genehmigte Choreografie, sondern improvisieren. Sie sichern sich so zwar den Applaus des Publikums, ziehen aber gleichzeitig den Unmut der Funktionäre auf sich. Die professionelle Karriere der Break Beaters gelangt so zu einem jähen Ende. Breakdance wird fortan zum Hobby.
Zentrale Figuren
Frank Satzke (Gordon Kämmerer): Der 18-Jährige steht kurz vor dem Abitur und soll danach auf Wunsch seines Vaters Maschinenbau studieren. Er trainiert mit seinem besten Freund Alex in der Sportgemeinschaft Dessau und vermeidet es, unangenehm aufzufallen. Franks politisches Interesse ist gering, er hat keine großen Ambitionen. Der Breakdance verändert alles. Franks Welt dreht sich fortan nur noch um das Tanzen und um Matti, die ebenfalls Mitglied der Break Beaters ist. Frank wird idealistischer. Ihm missfällt die Doppelmoral der Staatsbediensteten. Er steht zu seinen Prinzipien und möchte sich nicht verbiegen lassen. Persönliche Beziehungen und die Anerkennung Gleichaltriger sind ihm schließlich wichtiger als materielle Privilegien.
Matti (Sonja Gerhardt): Martina, von allen nur Matti genannt, ist die einzige weibliche Protagonistin im Film. Matti ist aus dem Olympiateam der Turnerinnen entlassen worden, weil sie sich für eine verletzte Teamkollegin eingesetzt und gegen die harten Trainingsmethoden protestiert hat. Ihr Freund Bastian trennt sich von ihr, als die Gruppe mit dem Breakdance Erfolg hat. Matti sieht den Breakdance nicht als sozialistische Unterhaltungskunst, sie ist dagegen, sich durch den Staat vereinnahmen zu lassen und bereit, dafür auf den Erfolg zu verzichten.
Alex (Oliver Konietzny): Genau wie Frank in Matti verliebt. Alex hat am wenigsten Vorbehalte gegen die Zusammenarbeit mit Hartmann. Der Erfolg rechtfertigt seiner Ansicht nach die Eingriffe in die Performances der Break Beaters. Alex hintergeht Frank, als er versucht, Matti für sich zu gewinnen. Er ist es auch, der Franks Vater wegen unerlaubter Westkontakte an die Behörden verrät und Frank so erpressbar macht. Er tritt deutlich obrigkeitshöriger auf und vertritt auch öffentlich Positionen, die nicht seinen eigenen Ansichten entsprechen. Alex ist schließlich der einzige, der nach dem Live-Auftritt weiterhin professionell und im Sinne der Partei tanzt.
Hartmann Dietz (Rainer Bock): „Olympia-Hartmann“ war Trainerassistent der Turnerriege bei den olympischen Spielen in Moskau. Jetzt trainiert er die Turner der Sportgemeinschaft Dessau. Hartmann ist Teil des sozialistischen Establishments. Ihm missfällt es, wenn jemand aus der Reihe tanzt. Er nimmt die Aufgabe als Trainer der Break Beaters sehr ernst und greift zu Erpressung und emotionaler Manipulation, um seine Vorgesetzten bei der Kulturverwaltung zufrieden zu stellen.
Walter Satzke (Arvid Birnbaum): Franks Vater hat vor zwei Jahren seine Frau verloren und sich seitdem weitgehend aus dem gesellschaftlichen Leben zurückgezogen. Als einfacher Arbeiter hat für ihn das Studium seines Sohnes höchste Priorität, weshalb er darauf bedacht ist, nirgends unangenehm aufzufallen.
Genosse Meinhardt (Wolfgang Stumph) verkörpert den klassischen Parteifunktionär. Er findet die Bedürfnisse der Jugendlichen lachhaft, setzt alles daran, den neuen Trend unter Kontrolle zu bringen und lebt in ständiger Angst vor einer Konterrevolution.
Gesellschaftsbild
Dessau Dancers zeichnet das Bild eines rückständigen und untergehenden Arbeiter- und Bauernstaates, in dem es keinerlei künstlerische Freiräume gibt, wo jeder Versuch unterbunden wird, Individualität auszudrücken. Jeder kann jederzeit Opfer der staatlichen Willkür werden. Der Breakdance wird hier zum Symbol der Rebellion der Jungen gegen die Alten, der Oppositionellen gegen die Systemanhänger. Westliche Kultur erscheint den Jugendlichen wesentlich attraktiver als das, was in der DDR geboten wird.
Die Jugend glaubt längst nicht mehr an die DDR. Sie ist apolitisch, das Leben erscheint ihr trostlos und vorbestimmt. Die DDR-Gesellschaft besteht einerseits aus obrigkeitshörigen Parteilern und Opportunisten, die um jeden Preis versuchen, den Status quo und damit ihre Position zu erhalten und andererseits aus Resignierten, die sich mit den Gegebenheiten arrangiert und ins Private zurückgezogen haben. Die Jugendlichen streben dagegen nach Freiheit und Individualität. Sie sind die Opfer des politischen Systems, die zwar als moralische Gewinner aus der Geschichte hervorgehen, aber vorher die Folgen ihres Handelns zu spüren bekommen. Frank muss zur NVA, um zum Studium zugelassen zu werden. Matti muss ihre Karriere als Sportlerin aufgeben. Und Michel hat keinerlei Aufstiegschancen in seinem Betrieb. In diesem Opfer-Täter-Bild gibt es keinen Raum für Zwischentöne.
Wer in dieser DDR Erfolg haben will, muss seine Ideale verraten und sich vom Staat instrumentalisieren lassen. Jeder, der es in diesem Film zu etwas gebracht hat, hat das mit fragwürdigen Methoden geschafft. Ehrlichkeit und Uneigennützigkeit findet man nur selten und wahre Solidarität nur unter denjenigen, die sich gegen den Staat verbündet haben. Scharf inszeniert die DDR als eine Repressionsgesellschaft, in der ein richtiges Leben im falschen möglich ist, wenn man sich von allen Aufstiegsgedanken verabschiedet und sich als Gegner des Staates positioniert.
Ästhetik und Gestaltung
Die ästhetische Gestaltung von Dessau Dancers orientiert sich an den gängigen Darstellungsmustern von DDR-Realität. Bei Staatsbediensteten, Stasi und Komitee für Unterhaltungskunst (finster dreinblickende ältere Herren) überwiegen gedeckte Grün-, Grau- und Brauntöne. DDR-Flaggen, Marx-Büsten und Honecker-Porträts erzeugen den Eindruck eines omnipräsenten Staates. Demgegenüber werden die Jugendlichen als Paradiesvögel im grauen DDR-Alltag inszeniert. Sie tragen bunte, glitzernde Kleidung und tanzen zu zeitgemäßer, eingängiger Musik.
Einige Einstellungen unterstreichen auch optisch die vermeintliche Unvereinbarkeit von Breakdance und sozialistischem Alltag. Beim Training in der Sportgemeinschaft Dessau stehen Frank und Alex zum Beispiel in Reih und Glied, während Matti hinter dem Rücken Hartmanns ihre Breakdance-Künste vorführt.
Eindrucksvoll wird die Eintönigkeit des Lebens in der DDR gleich zu Beginn illustriert. Frank läuft mit wenig Elan an einem Gebäude mit DDR-Flaggen vorbei. Seine Haltung ist gebückt. Aus dem Off erzählt er von einem Gefühl der Perspektivlosigkeit. Die Einstellung wird wiederholt, nachdem Frank den Breakdance für sich entdeckt hat. Diesmal aber tanzt er. Im Hintergrund läuft lebensbejahende Musik.
Durch bedrohlich wirkende Musik wird auch akustisch verdeutlicht, wer Opfer und wer Täter ist. Die von Blasinstrumenten dominierte Ost-Musik wirkt wie aus der Zeit gefallen und erweckt den Eindruck einer auch im populärkulturellen Bereich rückständigen DDR.
Authentizität
Strategien der Authentizitätskonstruktion
Das Filmteam war zwei Jahre auf der Suche nach authentischen 1980er-Jahre-Motiven. Die meisten Außenszenen wurden schließlich in Halle an der Saale gefilmt (SWR-Pressemappe), sodass die architektonische Gestaltung durchaus realitätsnah erscheint. Der Soundtrack wurde von Marc Collins komponiert. Der Film verzichtet hier auf den Einsatz von bekannten Titeln. Trotzdem transportiert die Musik das Lebensgefühl der 1980er-Jahre. Auch Kostüm und Maske wurden zeittypisch gestaltet. Um das Publikum in die DDR zu versetzen, kamen zudem Honecker-Porträts, Karl-Marx-Büsten und Flaggen zum Einsatz. Auch sprachliche Besonderheiten wurden berücksichtigt („Volkskunstkollektiv“, „akrobatischer Showtanz“). DDR-Showmaster Wolfgang Lippert wurde dafür gewonnen, die Unterhaltungssendung Ein Kessel Buntes zu moderieren.
Das Drehbuch basiert auf der Dissertation von Leonard Schmieding über Hiphop in der DDR (Schmieding 2014). Schmieding beriet auch das Film. Für Regisseur Scharf waren die Tanzszenen allerdings wichtiger. Gordon Kämmerer (alias Frank Satzke) sagte, man habe ein Dreivierteljahr mit Choreograph und Tänzer Niels „Storm“ Robitzky trainiert (tip Berlin). Sebastian Jaeger (alias Michel) gewann 2012 als Killer Sebi sogar die Weltmeisterschaft im Breakdance. Regisseur Scharf im Deutschlandfunk: „Der Film ist ein Spielfilm, das heißt, er hat jetzt keinen dokumentarischen Anspruch, jetzt die Realität in der DDR möglichst hundertprozentig genau wiederzugeben.“
Rezeption
Reichweite
Dessau Dancers hatte im Kino (Start: 16. April 2015) keinen Erfolg. Die Filmhitliste für April 2015 setzt den Film mit 6.241 verkauften Tickets nur auf Platz 79. In der Datenbank LUMIERE steht die Zahl 9.250. Dessau Dancers ist als DVD und Blu-Ray veröffentlicht sowie bei Video-on-Demand-Anbietern.
Rezensionen
In den Rezensionen wird Dessau Dancers weitgehend als mittelmäßiger, aber dennoch sehenswerter Film eingestuft. Bemängelt wird die zu humoristische und verharmlosende Darstellung des DDR-Alltags, die stellenweise mit einem Ostalgie-Vorwurf einhergeht.
Für jetzt.de, das Online-Magazin der Süddeutschen Zeitung, interviewte Teresa Fries Regisseur Jan Martin Scharf und DDR-Breakdancer Frank Salewski. Fries bezeichnet den Film als „genau recherchiert, authentisch und wahr“, aber auch als „überspitzt, schrill und abgedreht“. Nach Ansicht der Autorin macht der Film „total Lust auf Jugend in der DDR“. Man bekomme das Gefühl, „diese ganze DDR war einfach eine auf skurrile Weise unterhaltsame Veranstaltung“ – und verharmlose den Staat so.
Unter der Überschrift „Brechtanz und ein Kessel Buntes“ veröffentlichte Peter Luley am Tag des Kinostarts auf Spiegel Online seine Kritik zur „Ostalgie-Schmonzette“ Dessau Dancers. Luley mag die Produktion, solange sie ein Tanzfilm bleiben will. Er lobt die sympathischen Schauspieler und einige virtuose (Tanz-)Szenen, bemängelt aber zugleich „Klischees und Formelhaftigkeit“. Rauchende Parteifunktionäre würden „drollig von ‚Brechtanz‘ und ‚batteln‘ faseln“ – eine Hinwendung zu „Ostalgie-Kitsch“ und Verharmlosung. Wer sich für „realsozialistischen Rap“ interessiere, der solle sich zusätzlich den Dokumentarfilm Here we come anschauen.
Für Martin Hatzius vom Neuen Deutschland ist Dessau Dancers zwar grundsätzlich ein sehenswerter Tanzfilm, da er eine DDR-Subkultur beleuchtet, die bislang wenig Aufmerksamkeit erfahren habe, dramaturgisch empfindet er ihn jedoch als „überspannt“. Was Hatzius am meisten missfällt: Der Film habe versäumt, den „Konflikt zwischen Anpassung und Auflehnung“ in die Gegenwart zu holen. Auch heute würden Künstler häufig vor dieser Entscheidung stehen. „Nur geht es dabei eben nicht mehr um staatliche Duldung, sondern um Geld.“ Für Hatzius bleibt Dessau Dancers daher eine mittelmäßige, die DDR „platt karikierende“ Dokumentarkomödie. Einzig den Sprachgebrauch fand er authentisch. Birgit Hoschy vom Onlineportal epd-film freute sich dagegen, „dass dieses eine Mal ein deutscher Film so unangestrengt und leichtfüßig ins Schwarze trifft“. Dessau Dancers würde anschaulich wie nie die „Unvereinbarkeit von Individualismus und Kollektiv“ in „diesem repressiven System“ darstellen.
Auszeichnungen
Dessau Dancers |
53. Int. Filmfest Gijon 2015 |
Premio „Enfants terribles“ |
Gordon Kämmerer |
Filmkunstpreis Sachsen-Anhalt 2015 |
Bester Nachwuchsdarsteller |
Erinnerungsdiskurs
Dessau Dancers behandelt das Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Kommerz, thematisiert aber zugleich den Antagonismus von Individuum und Kollektiv im DDR-Alltag. Der Film illustriert dabei anschaulich, dass auch gut 25 Jahre nach dem Mauerfall in der Aufarbeitung der DDR-Geschichte ein diktaturzentrierter Erinnerungsmodus vorzufinden war. Scharf bedient sich der klassischen Täter-Opfer-Dichotomie und verfällt in eine stereotype Darstellung der Charaktere: hier die Staatsvertreter, nur auf den eigenen Vorteil bedacht und ideologisch festgefahren, dort die Bürgerschaft, vom System gebeutelt. Der Staat ist dabei allgegenwärtig. Auch private Beziehungen werden durch das politische System bestimmt.
Der Film zeigt eine DDR, in der persönliches Glück nur durch eine Distanzierung vom Herrschaftssystem und eine Fokussierung auf private Beziehungen möglich ist. Um persönlichen Prinzipien und Idealen treu zu bleiben, muss man sich von individuellen Träumen und beruflichen Ambitionen verabschieden. In Scharfs Produktion wird die DDR einmal mehr zur Negativfolie für die von demokratischen Freiheitswerten bestimmte westliche Gesellschaft. Die Botschaft ist klar: In der DDR lebt man nur, weil man keine andere Wahl hat. Der Sozialismus erscheint hier als ein von den Herrschenden oktroyiertes Gesellschaftssystem, das keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung hat. Insbesondere der Jugend scheint jede Aussicht auf ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben genommen.
Dessau Dancers will ein humoristischer Tanzfilm sein und lässt vielleicht auch deshalb ein differenziertes DDR-Bild vermissen. Bemerkenswert ist, dass einige Rezensenten trotzdem „Ostalgie-Kitsch“ gerochen haben. Eine humoristische Bearbeitung des Themas DDR scheint auch ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Staates nicht legitim und provoziert scheinbar zwangsläufig solche Vorwürfe.
Empfehlung
Empfehlung der Autorin
Der Film richtet sich an ein eher jugendliches Publikum und wird in seinem DDR-Bild nur die wenigsten Zeitzeugen überzeugen. Wer auf der Suche nach einem komödiantischen Feelgood-Movie mit überzeugenden Tanzszenen ist und sich nicht an der oberflächlichen und stereotypen DDR-Darstellung stört, wird diesen mögen.
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