Go Trabi Go
Inhalt
- Kurzinformationen
- Filmdaten
- Kurzbeschreibung
- Schlagworte
- Entstehungskontext
- Beteiligte
- Filminhalt
- Handlung
- Figuren
- Gesellschaftsbild
- Ästhetik und Gestaltung
- Strategien der Authentizitätskonstruktion
- Rezeption
- Reichweite
- Rezensionen
- Wissenschaftliche Aufarbeitung
- Einordnung in den Erinnerungsdiskurs
-
Empfehlung des Autors
- Literatur
Entstehungskontext
Beteiligte
Reinhard Klooss wurde 1954 geboren. Er studierte Literaturwissenschaften, arbeitete dann als Drehbuchautor, Produzent und Regisseur und war in den 1980er und zu Beginn der 1990er Jahre bei der Constantin Film AG, einer Verleih- und Produktionsfirma in München. Zu Go Trabi Go sagte Klooss der New York Times: „Ich habe in der Nacht, in der die Mauer fiel, ferngesehen und war fasziniert von den Tausenden Trabis, die in den Westen strömten. Ich war sofort neugierig, wer diese Leute in den Autos waren. Was hatten sie durchgemacht? Wie waren sie wirklich?“
Geboren 1950 in Berlin, studierte Peter Timm zunächst Russisch und Geschichte an der Humboldt-Universität, bevor er aus der DDR ausgewiesen wurde und in West-Berlin weitermachte. Sein erster Film hieß Meier (1986). Go Trabi Go brachte dann den Durchbruch. Zum Trabi hat Timm eine persönliche Beziehung: Im Auto seines Vaters hatte er sein „erstes Liebeserlebnis“.
FFA |
410.000 Euro (Naughton 2002: 166) |
Go Trabi Go ist als Blu-Ray (zusammen mit Go Trabi Go 2 – Das war der wilde Osten und der Dokumentation Go Trabi Go Forever des MDR) sowie als DVD und per VoD erhältlich. Außerdem gab es Kinoplakate.
Filminhalt
Handlung
Im Sommer 1990 macht sich Familie Struutz auf in den ersten Westurlaub: Inspiriert von Goethes Italienischer Reise wollen Vater Udo, Mutter Rita und Tochter Jacqueline in ihrem Trabant „Schorsch“ von Bitterfeld nach Neapel. Erster Zwischenstopp ist Regensburg. Tante Gerda und Onkel Bernd sind allerdings wenig erbaut von der neuen, alten Verwandtschaft. Der Weg über München, den Gardasee und Rom wird dann im Road-Movie-Stil zu einer wahren Odyssee. Vor allem „Schorsch“ hat es nicht leicht und bringt das Trio am Ende als Cabrio zurück.
Zentrale Figuren
Udo Struutz (Wolfgang Stumph): Anfang 50. Oberhaupt der Familie. Kümmert sich rührend um „Schorsch“ und spricht in Erziehungsfragen oft ein Machtwort.
Rita Struutz (Marie Gruber): Mitte, Ende 40. Hat eine freundschaftliche Beziehung zu ihrer Tochter und wird nochmal schwanger, da sie vergessen hat, ihre Pille mitzunehmen.
Jaqueline Struutz (Claudia Schmutzler): Die 17-jährige Tochter. Hört US-Hip-Hop, zieht sich gerne aufreizend an und fällt durch ihre direkte, aber herzliche Art auf.
„Schorsch“ (himmelblauer Trabant): Langjähriger Begleiter. Wird wie ein Familienmitglied behandelt. Bereits Jaqueline wurde in „Schorsch“ gezeugt.
Gesellschaftsbild
Go Trabi Go ist eigentlich kein DDR-Film: Die Grenzen sind offen, und selbst der Vesuv ist für die Sachsen mit ihrem Trabi plötzlich erreichbar. Die Handlungsspielräume werden nicht mehr vom Staat begrenzt, sondern von den Beziehungen in der Familie, den eigenen finanziellen Möglichkeiten und davon, was man sonst anzubieten hat. Vater Udo kann der Tochter die Hose verbieten („Den Fetzen ziehste aus, sofort!“). Jaqueline wiederum setzt ihre Reize gezielt ein. Und „Schorsch“, das DDR-Auto, ist ein permanenter Kostenfaktor.
Die West-Verwandten sind geizig, geldgierig und rassistisch. Onkel Bernd vermietet seinen Wohnwagen zu überzogenen Preisen an einige „Türken“, von denen er sagt, dass es ihnen wohl doch sehr gut gehen müsse, weil sie (Achtung Satire!) so viel „scheißen“ würden. Als Udo, Rita und Jaqueline in Regensburg aufkreuzen, verstecken Gerda und Bernd eine Schwarzwälder Kirschtorte. Generell scheint es im Westen vor allem um Geld und Sex zu gehen. Eine neue Zündkerze kostet in München stolze 619,52 D-Mark, obwohl es sich nicht um „Ersatzeile, original aus Zwickau, Sachsenwerk“ handelt, wie Kfz-Meister Udo behauptet, sondern um Teile von einem Schrottplatz. Die Rechnung begleicht Familie Struutz durch eine Peep-Show mit „Schorsch“ (Fremde dürfen für fünf Mark pro Minute fahren). Die Ostdeutschen wirken dagegen eher etwas naiv, aber ehrlich. So versuchen Rita und Jaqueline, Diebesgut den Carabinieri zurückzugeben. Der DDR trauern sie nicht nach. Als der Kfz-Mechaniker in München von der „guten, alten Zeit“ spricht, bekommt er von Udo einen bösen Blick.
Ästhetik und Gestaltung
Auffallend ist vor allem der markante Soundtrack mit dem Schlüsselsong Westward Ho von John Parr, einem britischen Rockmusiker. Hier geht es um die unvergleichliche Erfahrung, einen Trabi zu fahren. Claudia Schmutzler singt eine Cover-Version von Eena‘s Gates of Eden, und zu Bildern von der Spanischen Treppe in Rom gibt es Due Ragazze In Me von Gianna Nannini.
Authentizität
Strategien der Authentizitätskonstruktion
Filmimmanente Strategien
Go Trabi Go wurde in Bitterfeld, Regensburg, München, am Gardasee, Rom und Neapel gedreht. Außerdem kamen für den Dreh mehrere Trabis zum Einsatz. Die Komödie ist eine der ersten deutsch-deutschen Kinoproduktionen, bei denen Stars aus Ost und West mitwirkten. Familie Struutz wurde durchgängig mit DDR-Personal besetzt, während auf der anderen Seite Ottfried Fischer, Diether Krebs oder Konstantin Wecker zum Einsatz kamen. Der MDR: „Somit treffen im Film und in der Wirklichkeit Ost und West aufeinander. Ein historischer Geniestreich der Macher“.
Filmtranszendente Strategien
Für die MDR-Dokumentation Go Trabi Go Forever hat Wolfgang Stumph die Drehorte besucht und dort die anderen Protagonisten getroffen (unter anderem Ottfried Fischer, Billie Zöckler und Claudia Schmutzler).
Auf dem Festival moving history 2019 in Potsdam hat Regisseur Peter Timm die „deutsch-deutschen Momente des Drehens“ beschrieben und erzählt, wie sich Wolfgang Stumph, Claudia Schmutzler und Marie Gruber beim Dreh in Italien am 3. Oktober 1990 weinend in den Armen lagen. Timm berichtete hier auch, dass der Anstoß zum Film von Günter Rohrbach kam, damals Leiter der Bavaria Studios in München und offenbar Fan von Timms Debütfilm Meier (1986). Rohrbach habe gesagt, dass es in München plötzlich so viele Trabis gebe, die „grüßen oder hupen“, ohne dass man wisse, wer da hinter „diesen Scheiben sitzt“. Man habe schnell sein müssen, da Thomas Gottschalk schon mit seiner Idee für Trabbi goes to Hollywood (1991) hausieren ging. Rohrbach habe gesagt: „Wir müssen eine bessere Geschichte machen“.
Rezeption
Reichweite
Go Trabi Go war an der Kinokasse ein Erfolg. Mit 1,5 Millionen verkauften Tickets gehörte die Komödie zu den erfolgreichsten deutschen Filmen in den frühen 1990ern. Damals galten Filme schon als „relativ erfolgreich“, wenn sie auf 100.000 oder 150.00 Tickets kamen (Naughton 2002: 166).
Rezensionen
Obwohl Go Trabi Go in Kino und Fernsehen ein Publikumshit war und es mit Go Trabi Go 2 – Das war der wilde Osten (1992) eine Fortsetzung gab, haben Fachpresse und Leitmedien den Film weitgehend ignoriert (Naughton 2002: 166). Leonie Naughton (2002: 166) hat das mit dem Genre begründet (komödiantisch-kabarettistisch) sowie mit der Hauptfigur „Schorsch“: „Go Trabi Go ist einer jener deutschen Filme, von denen jeder in Deutschland gehört zu haben scheint, von denen aber niemand zugeben will, ihn gesehen zu haben. Go Trabi Go sorgte nicht einmal für die übliche Empörung über die Minderwertigkeit des einheimischen Films, noch entfachte er Empörung über die unüberlegte Vergabe von staatlichen Fördergeldern. Dass dieser Film weder einen weit verbreiteten kritischen Aufschrei noch Beunruhigung über die Degeneration der deutschen Filmkultur auslöste, ist an sich schon bemerkenswert. Selbst die Nominierung von Go Trabi Go für einen Bundesfilmpreis wurde als töricht abgetan und blieb folgenlos.“
„Sanfter Trabi, himmelblau“ betitelt Der Spiegel seine Rezension. Weiter im Text: Die „arg sanfte Komödie“ um einen himmelblauen Trabi tuckere „stets tapfer dahin“ und entwickele sich im „Transitland Bayern“ zu einem „Kabarettisten-Treffen“ (Wolfgang Stumph, Dieter Hildebrandt, Diether Krebs). Der Erfolg im Osten wird auch mit (N)ostalgie begründet: „Ein bisschen wehmütig ums Herz wird es einem schon, wenn man das Gefährt zur letzten Fahrt besteigt“. Das Lexikon des internationalen Films beschreibt Go Trabi Go als eine Komödie, „die sich allzu bald in einem uneinheitlichen Potpourri aus kabarettistischen Sketchen und stereotypen Handlungsfäden verliert“. Das Filmmagazin Cinema spielte auf die Zerbrechlichkeit der blauen Hauptfigur mit Rädern an („Nur ‚Schorsch‘ ist von Pappe, der Rest solide“) und vergab fünf von fünf Sternen. Für die New York Times schrieb Stephen Kinzer: „Die drei Hauptdarsteller liefern muntere Vorstellungen, doch der eigentliche Star ist der Trabant. Ein Teil der Familie“. Sein Fazit ist positiv: „Nur wenige Bürger der ehemaligen DDR empfinden eine echte Nostalgie für die Tage der kommunistischen Herrschaft. Aber viele bestehen darauf, dass das Leben damals nicht nur schlecht war. Schließlich, so sagen sie mit einem Lächeln, gab es immer die Chance, einen Trabi zu bekommen“.
Wissenschaftliche Aufarbeitung
Timms Film gilt in der Literatur als eine der ersten Ost-West-Komödien (Lee 2008: 70) und „trotz seiner Stereotype und banaler Dialoge“ als „Wende-Film schlechthin“ (Hodgin 2011: 39). Außerdem wird Go Trabi Go als Auslöser einer Ostalgie-Welle im deutschen Film wahrgenommen (Kordecki 2020: 331, Wark 1994: 93, Lüdeker 2012: 216-218).
Elizabeth Mittman (2003: 332) kritisiert das konservative Familienbild und die Darstellung weiblicher Sexualität: „Go Trabi Go ist in erster Linie kein Film über die Zementierung der väterlichen Autorität in der Familie, sondern vielmehr [ein Film] über die Selbsterhaltung [auch von Geschlechtsnormen] angesichts der Wiedervereinigung.“ Auch Nick Hodgin (2011: 37) zielt auf die Neuaushandlung von Identitäten: „Der stärkste Gemeinschaftssinn [...] kommt wahrscheinlich von den Gruppen, die die Voraussetzungen ihrer kollektiven Existenz bedroht sehen und daraus eine Identitätsgemeinschaft konstruieren, die ein starkes Gefühl des Widerstands und der Ermächtigung vermittelt. Scheinbar unfähig, die sozialen Beziehungen, in denen sie sich befinden, zu kontrollieren, schrumpfen die Menschen die Welt auf die Größe ihrer Gemeinschaften zusammen und handeln auf dieser Grundlage politisch. Das Ergebnis ist allzu oft ein zwanghafter Partikularismus als eine Möglichkeit, Kontingenz anzunehmen oder mit ihr umzugehen.“
Erinnerungsdiskurs
Während die Wissenschaft Go Trabi Go für seine Ost-West-Klischees kritisiert und Leitmedien und Fachpresse den Film wenig beachtet haben, spricht Nick Hodgin (2011) vom „Wende-Film schlechthin“. Go Trabi Go war ein Publikumshit, galt lange als Kultfilm und ist ein früher Ausläufer der Ostalgie-Welle, die auf den Rausch der Wiedervereinigung folgte.
Literatur
Christina Lee: Violating Time. History, Memory, and Nostalgia in Cinema. New York: Bloomsbury 2008
Elizabeth Mittman: Fantasizing Integration and Escape in the Post-Wende Road Movie. In: Randall Halle, Margaret McCarthy (Hrsg.) Light Motives: German Popular Cinema in Perspective. Detroit: Wayne State University Press 2003, S. 326-348
Gerhard Lüdeker: Kollektive Erinnerung und nationale Identität. Nationalsozialismus, DDR und Wiedervereinigung im deutschen Spielfilm nach 1989. München: edition text + kritik 2012
Leonie Naughton: That was the wild East. Film culture, unification, and the “new” Germany. Michigan: University of Michigan Press 2002
McKenzie Wark: Virtual geography. Living with global media events. Bloomington: Indiana University Press 1994
Nick Hodgin: Screening the east. Heimat, memory and nostalgia in German film since 1989. New York: Berghahn Books 2011
Sarah Kordecki: Und ewig ruft die Heimat … Zeitgenössische Diskurse und Selbstreflexivität in den Heimatfilmwellen der Nachkriegs- und Nachwendezeit. Göttingen: V&R unipress 2020
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