Miguel Alexandre

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Der 1968 in Portugal geborene Miguel Alexandre wuchs in Lübeck auf. Bereits in der Kindheit war er vom Medium Film fasziniert und sammelte früh Erfahrungen mit eigenen Produktionen. Nach dem Abitur folgte von 1989 bis 1994 ein Regiestudium an der Hochschule für Film und Fernsehen in München. Im Laufe seines Studiums erhielt er für den Kurzfilm About War (1992) eine Oscar-Nominierung in der Kategorie „Bester ausländischer Studentenfilm“. Einige Jahre später folgte mit Gran Paradiso – Das Abenteuer Mensch zu sein (2000) sein Kinodebüt. Seitdem gehört er „zu den großen Hoffnungen des deutschen Films“ (prisma) und arbeitete anschließend „für alle wichtigen deutschen Fernsehsender“ (Weltbild). Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen.

Inhaltlich setzt Alexandre keinen eindeutigen Schwerpunkt – eine Affinität für Dramen lässt sich aber kaum bestreiten. Auch vor der Thematisierung historischer Ereignisse scheut sich der Regisseur nicht. So wirkte er an der Fernsehserie Spy City (2020) mit, in der es um Spionage der Besatzungsmächte kurz vor dem Bau der Berliner Mauer geht. Auch in Starfighter – Sie wollten den Himmel erobern (2015) bringt er Geschichte auf die Leinwand. Das Drama behandelt dabei die Starfighter-Affäre in den 1960er Jahren, die zahlreiche Abstürze und Todesfälle durch mangelhafte Kampfflugzeuge zur Folge hatte.

Die DDR bei Miguel Alexandre

In Die Frau vom Checkpoint Charlie (2007) und Schicksalsjahre (2011) setzt sich Alexandre außerdem mit der DDR auseinander. Beide Filme basieren auf wahren Begebenheiten und erzählen dramatische Einzelfallgeschichten. Der klare Fokus: Für die Familie muss man kämpfen – allen Widrigkeiten durch staatliche Repressalien zum Trotz. Sowohl in Die Frau vom Checkpoint Charlie als auch in Schicksalsjahre wird ein düsteres DDR-Bild gezeichnet. Beide Geschichten bedienen das Diktaturgedächtnis: Die DDR steht für SED-Herrschaft, Unterdrückung und Überwachung. Zugleich geht es um Menschen, die Opfer dieses Unrechtsstaates werden. Für Positives über die DDR ist hier kein Platz (Sabrow 2009).

Die Buchvorlage für Die Frau vom Checkpoint Charlie wurde an einigen Stellen dramatisiert. Der Film erzählt von Benachteiligungen der Kinder, Stasi-Bekanntschaften und einer verwanzten Wohnung – damit kann die ursprüngliche Geschichte nicht dienen. Das Neue Deutschland bemängelt diese Inszenierung von Miguel Alexandre als „grobe Schwarzweißzeichnung“. Der Regisseur begründete sein Vorgehen damit, dass eine „sehr emotionale Geschichte“ erzählt werden sollte und „gleichzeitig auch ,viel Alltag aus der DDR‘“ (Tagesspiegel). Alexandre ergänzt, die DDR-Thematik zunächst über Komödien wie Good Bye, Lenin! (2003) oder Sonnenallee (1999) zu behandeln, sei ein richtiger Schritt gewesen. Aber jetzt „muss ein ernsterer Ton gewählt werden, ohne Horror, aber auch ohne ,Auch in der DDR war nicht alles schlecht‘-Verniedlichung“, so der Regisseur (Mitteldeutsche Zeitung). Zudem sei das Filmteam bemüht gewesen, „ein möglichst differenziertes Bild der Menschen im Osten zu geben“ (tittelbach.tv).

In beiden Filmen steht der Westen für einen Zufluchtsort, wird aber nicht nur positiv dargestellt. Zentral sind die Probleme, mit denen die Protagonistinnen konfrontiert werden – in Ost und West. Dennoch wird gerade in Schicksalsjahre ein Kontrast porträtiert – die Hürden in der BRD sind zu meistern, die in der DDR unüberwindbar.

Die RAF als Filmmotiv

In Der Mordanschlag (2018) wagt sich Miguel Alexandre dann an die RAF. Der Film thematisiert die Morde an Alfred Herrhausen und Detlev Rohwedder, die bis heute nicht aufgeklärt wurden. Wie auch in Schicksalsjahre und Die Frau vom Checkpoint Charlie lieferte eine Buchvorlage das Grundgerüst. Die Geschichte, die in dem Buch Die letzte Terroristin (2018) von André Georgi erzählt wird, wurde für den Film etwas abgewandelt. Die wesentlichen Änderungen „hatten vor allem damit zu tun, inwieweit […] einer der Mordtheorien Vorzug“ gegeben wurde (epd Film). Für Alexandre sprechen die Umstände des Mordes eine eindeutige Sprache. Der Regisseur und Drehbuchautor Georgi sind sich einig, dass „ehemalige Mitglieder der Stasi da ihre Finger im Spiel gehabt haben können“. Dennoch entschieden sie sich dafür, „die verschiedenen Thesen zu der Ermordung von Rohwedder offen zu halten“. Schließlich ist diese Meinung seine „private Ansicht“, die er letztlich „auch nicht beweisen“ könne, so Alexandre (epd Film).

Auf die Frage, wie Alexandre die RAF selbst erlebt habe, sagt er: Ich „kann mich noch an die Angst meiner Eltern Mitte der Siebzigerjahre erinnern. Es gab Kontrollen, man wurde mit dem Auto angehalten, und plötzlich merkte man, dass das Gefühl der allgemeinen Sicherheit aufgehoben war“ (Lübecker Nachrichten). Zum Zeitpunkt des Rohwedder-Mordes war er „gerade mit der Schule fertig, hatte angefangen an der Filmhochschule zu studieren“ und erinnert sich, „dass das Attentat wie in einem Nebel lag“. Es war „ein großes Geheimnis“ und ist „auch schnell wieder aus der Öffentlichkeit verschwunden“. Diese Geschichte zu erzählen, hält der Regisseur für wichtig, „weil man mit der Treuhand, der Ost-West-Spaltung, den zerstörten Biografien auch etwas über die DNA des eigenen Landes erfährt“ (Lübecker Nachrichten).

Literatur

Martin Sabrow: Die DDR erinnern. In: Martin Sabrow (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. München 2009, S. 11-27.

Empfohlene Zitierweise

Miguel Alexandre. In: Daria Gordeeva, Michael Meyen (Hrsg.): DDR im Film 2023, https://ddr-im-film.de/de/akteur/alexandre