Letztes aus der Da Da eR
Entstehungskontext
Beteiligte
Jörg Foth wurde am 31. Oktober 1949 in Berlin geboren. Nach dem Abitur volontierte er beim DDR-Fernsehen, studierte danach Regie in Babelsberg und arbeitete ab 1978 für die DEFA (zunächst als Regieassistent und Schauspieler, später auch als Regisseur, Autor und Dramaturg für Dokumentarfilme). Regie führte Foth bei Filmen wie Biologie! (1990) und Das Eismeer ruft (1983).
Steffen Mensching wurde am 27. Dezember 1958 in Berlin geboren und studierte Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität. Er arbeitete 20 Jahre als freiberuflicher Autor, Schauspieler, Clown und Regisseur und wurde 2008 Intendant des Theaters Rudolstadt. Hans-Eckardt Wenzel wurde am 31. Juli 1955 in Kropstädt bei Wittenberg geboren und studierte ebenfalls Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität, wo sich beide kennenlernten. Wenzel ist Liedermacher, Musiker, Autor und Regisseur. Als Clown-Duo sind Mensching & Wenzel in den 1980er Jahren mit Altes aus der Da Da eR und Neues aus der Da Da eR durch das Land getourt. In diesen Bühnenprogrammen vermischen sie Kabarett, Revue und Burlesque. Letztes aus der Da Da eR ist eine Adaption für den Film. Über das Leben (als Künstler) in der DDR sagte Wenzel 2015 in der Frankfurter Rundschau: „Das klingt heute immer, als wär man unter einer permanenten Überwachung gewesen. Das war gar nicht so. Wir haben Premieren gemacht im Berliner Ensemble ohne Genehmigung. Das ging alles, wenn man genug Cleverness hatte“.
Für Letztes aus der Da Da eR wurde in der DEFA die künstlerische Arbeitsgruppe „DaDaeR“ gegründet. Der Film ist eine der letzten eigenständigen Produktionen des einstigen DDR-Studios.
Für den Kinostart produzierten DEFA und Verleih (Filmverlag der Autoren) jeweils ein Poster und einen Trailer. Seit 2009 ist der Film – auch in den USA – auf DVD erhältlich und wurde in jenem Jahr auf internationalen Filmfestivals gezeigt.
Filminhalt
Handlung
Letztes aus der Da Da eR hat zehn Akte. In Akt 1, Breakfast in Sing-Sing, sitzen Meh und Weh ein. Nach zwei Frühstückseiern verlassen sie das Gefängnis, machen in den folgenden Akten (Es ist mir eine besondere Ehre, Acheron, Hölle, Einige Sekunden später, Eine deutsche Walpurgisnacht, Im Paradies, Oh mein Papa und Die neue Zeit) vor ostdeutschen Kulissen Programm. Im letzten Akt, Epilog, sieht man beide auf einem Friedhof mit der Gefängniswärterin. Das Stück lässt sich als Analogie auf die friedliche Revolution, den Mauerfall und die Wiedervereinigung interpretieren. In der letzten Einstellung zeigt die Kamera einen Grabstein mit der Inschrift „Auf Wiedersehn!“
Zentrale Figuren
Meh (Hans-Eckardt Wenzel) und Weh (Steffen Mensching): Zwei Clowns mit Schwimmreifen, Koffern und Babypuppe. Entworfen von den beiden Kabarettisten Anfang der 1980er Jahre in den Bühnenshows Altes aus der Da Da eR und Neues aus der Da Da eR. Besuchen im Film unterschiedliche Orte im Osten Deutschlands.
Gesellschaftsbild
Letztes aus der Da Da eR ist kein Spielfilm, der versucht, die DDR auferstehen zu lassen oder eine Geschichte erzählen will, die womöglich ‚auf wahren Begebenheiten‘ beruht, sondern ein Kabarett-Stück im Dadaismus-Stil. Szenen und Texte sind als „Abgesang“ auf die DDR zu verstehen und als Kommentar zweier Künstler, die in diesem Staat gelebt und gearbeitet haben. Ihr DDR-Bild ist eher kritisch und negativ. Wenn Meh und Weh an der ehemaligen Grenze Halb und Halb singen, dann geht es um fehlende Erfüllung – genau wie im Refrain „Die Kaputten sind die Nutten von dem Ganzen. Und die Ganzen sind zwar ganz, doch ganz schön leer“. Die künstlerische Brechung erlaubt hier mehrere Interpretationen. Eine Möglichkeit: Während sich ‚der kleine Mann‘ für das System aufrieb, haben die Apparatschiks ihren Spaß gehabt. Meh und Weh bedanken sich bei Doktoren, Lektoren, Doktrinären und Funktionären für ihr Mitwirken am Projekt DDR und dafür, nicht „rüber gemacht“ zu haben: „Allen Menschen, die uns hören. Allen, die noch bei uns wohnen. Seid umschlungen, Millionen. Lang genug gestöhnt, geklagt, heute sei euch Dank gesagt.“ Dieser Dank-Choral steigert sich zu hysterischem Geschrei und wirkt so mehr als gezwungen.
Das Ende der DDR erklären Meh und Weh in einer der letzten Szenen mit dem Unvermögen der Eliten. Der Gefängniswärterin sagen sie, dass sie keinen Termin für eine (kommunistische) Revolution oder Reform bekommen hätten. Der Zahnarzt wäre wichtiger gewesen. Über den Umschwung wird mit einem „traurigen Unterton“ erzählt (Lüdeker 2012: 210). In der Walpurgisnacht hält Meh immer wieder die gleiche Rede über das Misstrauen, während das Volk die neue Freiheit feiert: „Misstrauisch sagten wir ‚Freiheit‘ und misstrauten den gequälten Wünschen unserer Kinder. Ja, wir waren sogar misstrauisch, ob die Kräfte der Freunde ausreichen würden. Und man rief uns misstrauisch in Sitzungszimmer und fragte misstrauisch nach unserem Vorhaben. Und als wir misstrauisch antworteten, misstrauten sie unserem Misstrauen und diese Gleichheit vereinte uns wie Verbrecher, Schweigepflicht und Schwüre dem gemeinsamen Verlust, von dem wir alle wussten, geheim zu halten, ihn nicht länger herauszuschreien. Wir vergaßen einander. Das Volk vergaß sich.“
Empfohlene Zitierweise