Zwei Tage Hoffnung
Inhalt
- Kurzinformationen
- Filmdaten
- Kurzbeschreibung
- Schlagworte
- Entstehungskontext
- Beteiligte
- Filminhalt
- Handlung
- Figuren
- Gesellschaftsbild
- Ästhetik und Gestaltung
- Strategien der Authentizitätskonstruktion
- Rezeption
- Reichweite
- Rezensionen
- Wissenschaftliche Aufarbeitung
- Einordnung in den Erinnerungsdiskurs
-
Empfehlung der Autorin
- Literatur
Entstehungskontext
Beteiligte
Peter Keglevic ist 1950 in Salzburg geboren und dort auch aufgewachsen. Er studierte Regie am Mozarteum und schreibt Kurzgeschichten, Theaterstücke und Drehbücher. Aufmerksamkeit bekam er für den Film Der Tanz mit dem Teufel (2001), in dem er die Entführung des Industriellen Richard Oetker beleuchtet. Bereits hier besetzte er zentrale Rollen mit Sebastian Koch und Christoph Waltz, die auch in Zwei Tage Hoffnung dabei waren. Keglevic hat weder persönliche noch filmische Erfahrungen mit der DDR. Zwei Tage Hoffnung hat aber Parallelen zu seinen anderen Werken: eigensinnige Hauptpersonen, die gegen die Gesellschaft rebellieren und einen inneren Konflikt austragen.
Das Drehbuch ist von Holger Karsten Schmidt, Jahrgang 1965, Hamburger. Schmidt hat an der Filmakademie Baden-Württemberg Drehbuch und Spielfilm studiert und ist dort seit 1998 Dozent. In seiner Filmografie stehen viele Drehbücher für öffentlich-rechtliche Produktionen sowie zwei DDR-Filme: Jenseits der Mauer (2009) und Mord in Eberswalde (2013).
Produziert wurde der Film von Nico Hofmann und Ariane Krampe, Geschäftsführer und stellvertretende Geschäftsführerin von teamWorx (heute Teil der UFA Fiction). teamWorx wurde vor allem durch historische TV-Mehrteiler bekannt. Zur Filmografie des Unternehmens gehören Der Tunnel (2001), Die Mauer – Berlin '61 (2006), Das Wunder von Berlin (2008) und Der Turm (2012). Zwei Tage Hoffnung ist eine Co-Produktion mit WDR und SWR.
Zwei Tage Hoffnung hatte ein Budget von rund vier Millionen Euro und wurde mit öffentlichen Mitteln gefördert (insgesamt 1.250.000 Euro).
Produktionsförderung |
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200.000 Euro |
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Projektförderung |
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Film und Medienstiftung NRW (2002) |
750.000 Euro |
Weitere Förderentscheidungen |
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Medienboard Berlin-Brandenburg (2002) |
300.000 Euro |
Das DVD-Cover zeigt die Brüder Wolfgang und Helmut Kaminski sowie ihre Freundin Angelika. Außerdem sieht man protestierende Arbeiter am 17. Juni 1953. Einen Trailer oder Bonusmaterialien gab es nicht. Der Film steht in einer Liste der Bundesstiftung für Aufarbeitung zum 17. Juni und im Projekt Jugendopposition (ein multimediales Internet-
angebot über die Auflehnung von Jugendlichen von der Bundeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit der Robert-Havemann-Gesellschaft). Anlass für Produktion und Erstausstrahlung war der 50. Jahrestag der Ereignisse von 1953.
Filminhalt
Handlung
Im Zentrum des Dramas stehen die Brüder Wolfgang und Helmut Kaminski im geteilten Berlin im Juni 1953. Helmut lebt im Westen und arbeitet für den RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor). Sein Bruder Wolfgang ist Mitarbeiter der SED-Bezirksregierung Friedrichshain und lebt bei den Eltern im Ostteil der Stadt. Helmut sieht, wie ein Informant an der Grenze von der Stasi verschleppt wird. Auf einer Liste, die der Verschleppte zurücklässt, entdeckt er die Namen von Bruder und Vater, die hier als „politisch unzuverlässig“ eingestuft werden. Er geht in den Osten, um sie zu warnen. Der Besuch reißt alte Wunden auf. Als der Streik beginnt, ist Helmut noch im Osten. Die Brüder und Wolfgangs Freundin Angelika (später Helmuts Freundin) geraten in große Gefahr. Wolfgang schafft es nach Westberlin, Helmut und Angelika dagegen werden an der Grenze verhaftet.
Zentrale Figuren
Helmut Kaminski (Sebastian Koch) – ein Mann, der sein Glück als Journalist im Westen gefunden hat und seine Familie zunächst mit Spott behandelt: „Wie wäre es mit einem sozialistischen Abschied? Ich dachte, dann können wir alle gleichzeitig gehen“. Später schwankt dieser Helmut zwischen politischer Überzeugung und dem Wunsch nach familiärer Harmonie. Halt findet er erst mit Angelika nach seiner Haftentlassung im Westen.
Wolfgang Kaminski (Hans-Werner Meyer) – der jüngere Bruder von Helmut. Mitarbeiter der SED-Bezirksleitung. Ein junger Mann, der laut Angelika „immer für seine Ideale gekämpft und große Begeisterung für seine Ideen aufgebracht hat.“ Wolfgang verlässt die DDR, weil er als „politisch unzuverlässig“ eingestuft wurde. Mit dem Parteiabzeichen legt er seine Überzeugungen ab.
Weitere wichtige Figuren sind die Eltern: Vater Otto Kaminski (Matthias Habich), ein Brigadeleiter in der Stalinallee, der für seine Arbeiter einsteht und deshalb als Querulant gilt. Ein Mann, der nicht versteht, warum sein Sohn Helmut im Westen lebt. Mutter Irene Kaminski (Cornelia Schmaus), die versucht, die zerrissene Familie wieder zu vereinen. Dazu kommt Angelika (Lisa Martinek), die erst Wolfgangs Freundin ist und später Helmut liebt.
Gesellschaftsbild
Zwei Tage Hoffnung zeigt eine Gesellschaft in Anspannung. Das Verhältnis zwischen SED und Arbeitern ist geladen. Es geht um eine Normerhöhung, um die Arbeitsbedingungen und fehlenden Zement. Die Arbeiter wissen: Wenn sie „hier den Hammer hinlegen“, ist es aus mit dem Sozialismus. Die sowjetischen Panzer und mit ihr die Obrigkeit sind allerdings stärker. Angespannt ist auch das Verhältnis zwischen Ost und West, symbolisiert in der Beziehung zwischen Vater (Otto) und Sohn (Helmut). Otto lehnt den westlichen Lebensstil ab und muss erst selbst in Gefahr geraten, um Helmut zu verstehen. Er sieht den Westen (vor allem den RIAS, für den der Sohn arbeitet) als Treiber für Streik und Aufstand.
Arbeiter wie Otto, die der SED glauben und der DDR vertrauen, werden (so will es der Film) von der Macht getäuscht. Sie leben in einem Land, in dem willkürlich entschieden wird, wer eine „Gefahr“ ist und wer nicht, und in dem die Stasi das Heft in der Hand hat (zumindest beim Verhör nach der Verhaftung).
Ästhetik und Gestaltung
Der Osten Berlins wird von Grün und Grau dominiert, Farben, die typisch für die DDR-Darstellung sind (Lüdecker 2015: 70). Umso größer ist der Kontrast zu den roten Bannern mit sozialistischen Parolen auf der Baustelle in der Stalinallee. Der Westen ist dagegen bunt, modern und fortschrittlich.
Regisseur Keglevic sagte, dass er sich beim Farbkonzept in erster Linie auf altes Wochenschau-Material gestützt habe sowie auf die beiden Werke Der zerrissene Vorgang (1966) und Der Spion, der aus der Kälte kam (1965), um sich „den altmodischen Rhythmus“ zu vergegenwärtigen.
Authentizität
Strategien der Authentizitätskonstruktion
Zwei Tage Hoffnung ist eine fiktive Erzählung, die über Requisiten und Kostüme eine authentische Atmosphäre schafft. Udo Happel vom Studio Babelsberg sagte in der Welt, dass man bei „diesem historischen Stoff im Kostüm- und Requisitenfundus aus dem Vollen“ schöpfen konnte. Der gesamte Film wurde im Studio gedreht, da Originalschauplätze laut Regisseur Keglevic (Blickpunkt) zu teuer gewesen seien. Außerdem sei es nicht erlaubt, Panzer außerhalb eines Filmstudios einzusetzen.
Schauspieler Sebastian Koch (Helmut Kaminski) ist ein markantes Gesicht deutscher Geschichtsfilme. Zu seiner Filmografie gehören Der Tanz mit dem Teufel (2001), Der Tunnel (2001), Stauffenberg (2004) und Das Leben der Anderen (2006). Ilko-Sascha Kowalczuk hat das Filmteam beraten. Am Ende wird ein Text eingeblendet, der über die Zahl der Demonstranten, die Festnahmen und die Opfer vom 17. Juni 1953 informiert.
Rezeption
Reichweite
Eine Vorab-Premiere gab es am 12. Mai 2003 im Kino International an der Karl-Marx-Allee in Berlin. Gast war unter anderem Egon Bahr, der den 17. Juni 1953 als Chefredakteur des RIAS miterlebt hat. Die Erstausstrahlung erfolgte zwei Tage später zur Primetime im Ersten, als Teil einer Reihe von Filmen zum 50. Jahrestag des 17. Juni, die jeweils einen anderen Blickwinkel zeigten. Neben Zwei Tage Hoffnung wurde der Film Tage des Sturms (2003) ausgestrahlt, der den Streik und dessen Folgen in der Stadt Bitterfeld thematisiert, sowie im ZDF das Doku-Drama Der Aufstand (2003), der die außenpolitische Dimension in den Mittelpunkt rückt. Der Film ist als DVD erhältlich und kann gestreamt werden.
Rezensionen
Die Pressestimmen fielen überwiegend positiv aus. Der Tagesspiegel beschrieb Zwei Tage Hoffnung als ein „gutes Stück verfilmte Zeitgeschichte“ mit Potential für den Weltvertrieb und lobte vor allem die „ungeheure Bilderwucht“ und das Schauspiel. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hob die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Familiengeschichte hervor und lobte die Emotionalität beim Foxtrott von Helmut und Angelika oder beim Ablegen des Parteiabzeichens.
In vergleichenden Rezensionen kam Zwei Tage Hoffnung etwas besser weg als Tage des Sturms (2003). Der Spiegel begründete das mit der Dramatik. Zwei Tage Hoffnung sei weniger ein „Erklärungsstück über historische Probleme“, sondern vielmehr eine „hinreißend inszenierte Rettungsoper.“ Rainer Tittelbach hob dagegen die Besetzung hervor und das offene Ende.
Die Welt war zufrieden, dass Regisseur Keglevic die Ereignisse vom 17. Juni nur minimal überzeichne. Den Vergleich mit dem ZDF Doku-Drama Der Aufstand (2003) verlor der Film hier aber. Vor allem die Rolle von RIAS-Chefredakteur Egon Bahr werde beim ZDF deutlicher.
Wissenschaftliche Aufarbeitung
Der Filmhistoriker Matthias Steinle (2015a: 157) hat in Zwei Tage Hoffnung ein „Superzeichen der Erinnerung an die Judenvernichtung“ gesehen – weil am Ende bei der Verhaftung eines Informanten eine KZ-Häftlingsnummer gezeigt wird. Mit diesem Symbol setze der Film ein Deutungsmuster, das die Opfer der SED mit denen des Dritten Reiches vergleiche, um den „antifaschistischen Gründungsmythos der DDR zu delegitimieren“. Die Szene impliziere, dass die Stasi die Rolle der Gestapo übernommen habe. Hier schwinge die Botschaft „DDR = KZ“ mit. In einer anderen Veröffentlichung beschäftigt sich Steinle mit dem Filmbeginn und verweist hier auf die Vermischung von „fact und fiction“ (Steinle 2015b: 9).
Tobias Ebbrecht-Hartmann (2016) hat die Brüder Kaminski als Symbole für das geteilte Deutschland gedeutet. Der komplexe historische Kontext verdichte sich hier zu einem persönlichen Konflikt. Dazu komme eine kanonische Konstellation: der Kampf der Brüder um die Liebe einer Frau. Richard Blanchet (2013: 209) sieht den Film als eine Erzählung mit vielen Lesarten, die Schematismus vermeide. Die verschiedenen Positionen würden ein differenziertes Bild schaffen, welches eine gewisse „sozialistische Sensibilität“ aufrechterhalte.
Literatur
Richard Blanchet: Le 17 juin 1953: stratégies filmiques et enjeux du film Zwei Tage Hoffnung de Peter Keglevic. In: Études Germaniques 68. Jg. (2013), S. 195-209
Tobias Ebbrecht-Hartmann: German Docudrama: Aligning the Fragments and Accessing the Past. In: Derek Paget (Hrsg.): Docudrama on European Television. Basingstoke: Palgrave 2016, S. 27-51
Gerhard Jens Lüdeker: DDR-Erinnerung in gegenwärtigen deutschen Spielfilmen: Vom Dissens zum Konsens. In: Hans-Joachim Veen (Hrsg.): Das Bild der DDR in Literatur, Film & Internet. 25 Jahren Erinnerung und Deutung. Köln: Böhlau 2015, S. 59-80
Martin Sabrow: Die DDR erinnern. In: Martin Sabrow (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. München: C. H. Beck 2009, S. 11-27
Matthias Steinle: Geschichte im Film: Zum Umgang mit den Zeichen der Vergangenheit im Dokudrama der Gegenwart. In: Barbara Korte, Sylvia Paletschek (Hrsg.): History Goes Pop. Bielefeld: transcript 2015, S. 147-166
Matthias Steinle: Drei Krisen und das Wunder ihres Endes: Die DDR im deutschen Dokudrama. In: Hans-Joachim Veen (Hrsg.): Das Bild der DDR in Literatur, Film & Internet. 25 Jahren Erinnerung und Deutung. Köln: Böhlau 2015, S. 81-100
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