Fabian Holzmann
Geboren 1993 in Österreich, aufgewachsen in München. Absolvierte von 2014 bis 2018 den Bachelor „Medien und Kommunikation“ an der Universität Passau. Von 2019 bis 2022 Studium der Kommunikationswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Rahmen des Masterstudiums arbeitete er von 2020 bis 2021 an diesem Handbuch mit.
Mein DDR-Bild
Im Geschichtsunterricht war der Staat, der schon vor meiner Geburt zerfiel, nur eine Randnotiz. Ergänzt wurde dieses Halbwissen durch die Darstellung in Das Leben der Anderen, einen Film, der durch seine zahlreichen Preise eine gewichtige Stimme im DDR-Diskurs geworden ist. Die DDR, das war für mich Stasi und Mauer. Da ich keinen persönlichen Kontakt zu Personen aus dem Osten hatte, musste ich diese eindimensionalen Eindrücke lange nicht hinterfragen.
Heute weiß ich, dass zwei Stichwörter diesem komplexen Gebilde nicht gerecht werden. Ich denke zwar weiterhin, dass es wichtig ist, sich das Unrecht in der DDR immer wieder bewusst zu machen. SED und Staatssicherheit haben menschenverachtende Gräueltaten zu verantworten, das kann und sollte man nicht relativieren. Nachdem ich mich mit der Thematik und ihrer Darstellung beschäftigt habe, ist mir allerdings klar geworden, dass ich wiederum vielen tausenden Menschen, die in der DDR gelebt haben, Unrecht tun würde, sie darauf zu reduzieren.
Meine Erfahrung aus der Arbeit am Handbuch
Medien, hier insbesondere der Film, prägen die Sicht der Gesellschaft auf ein Thema. Dabei muss man sich verdeutlichen, dass sie nicht Realität abbilden. Spielfilme folgen gewissen dramaturgischen Regeln, um ein möglichst großes Publikum zu erreichen und zu unterhalten. Vermischung von Fakt und Fiktion, historischem Material und erfundenen Charakteren: prinzipiell kein Problem. Schließlich heißt Kunst, sich Neues ausdenken und Bestehendes neu zu kontextualisieren. Was mir aber besonders aufgefallen ist, ist der Wahrheitsanspruch, der den Zuschauern vorgemacht, aber dann nur leidlich eingelöst wird. Als negatives Beispiel sei hier Der Tunnel angeführt. Ein handwerklich absolut ansprechend umgesetzter und spannender Film, der es mit der Wahrheit jedoch nicht allzu genau nimmt. So werden beispielsweise Personen erfunden und elementare Teile der Geschichte zu Gunsten der Dramatik umgeschrieben. Dennoch: Sowohl in der Werbekampagne als auch im Film selbst wurde gebetsmühlenartig wiederholt, dass es sich um eine „wahre Geschichte“ handle.
Zusätzlich fand ich interessant, dass sich hier wirklich eine Art ‚DDR-Genre‘ entwickelt zu haben scheint. Es fallen gewisse Punkte auf, die von unterschiedlichen Regisseurinnen und Regisseuren in die Filme integriert und von den Zuschauerinnen und Zuschauern vielleicht auch erwartet werden. Die Farbpallette ist häufig gleich (grau, braun, grün), Mauer und Stasi sind fast immer zentrale Punkte, der dadurch entstehende Gegensatz von ‚Gut gegen Böse‘ ebenfalls. Das fällt besonders dann auf, wenn gegen solche Konventionen verstoßen wird. Wenn beispielsweise Protagonistin Rita in Die Stille nach dem Schuss gemeinsame Sache mit der Staatssicherheit macht – wie sollen wir Zuschauer das einordnen? In Jana und Jan fehlt von der Stasi hingegen jede Spur, was den Film sofort interessanter macht, da man an dem ungewöhnlichen Ort Jugendwerkhof schlechter vorhersagen kann, wo die Handlung hingeht. Leider geht sie schlussendlich Richtung Mauer – zumindest neben diesem Genre-Punkt kann der Film also einen Haken machen.