Film

Familie Brasch

Kurzinformationen

Filmdaten

Titel
Familie Brasch
Erscheinungsjahr
2013
Produktionsland
Originalsprachen
Länge
102 Minuten

Kurzbeschreibung

Familie Brasch erzählt die Geschichte einer Künstler- und Funktionärsfamilie. Es geht um das Politische im ganz Persönlichen – in Konflikten zwischen Eltern und Kindern, die sich um Systemtreue drehen und um dem Wunsch nach einem reformierten Sozialismus.

Schlagworte

Schauplatz

Entstehungskontext

Beteiligte

Regie und Drehbuch

Annekatrin Hendel (geboren 1964 in Berlin) wuchs in der DDR auf und arbeitete nach einem Designstudium ab 1987 freiberuflich als Kostüm- und Szenenbildnerin für Theater und Film. In ihren Dokumentarfilmen geht es oft um die DDR. Mit Fantasie gegen den Mangel (2008) behandelt zum Beispiel die Jugendkultur und Vaterlandsverräter (2011) den DDR-Schriftsteller und Stasi-IM Paul Gratzik.

Produktion

Familie Brasch von Hendels Firma IT WORKS! Medien (gegründet 2004) in Koproduktion mit Von Vietinghoff Filmproduktion sowie den Rundfunkanstalten MDR, RBB und SWR produziert.

Finanzierung

Förderinstitution

Fördersumme

Mitteldeutsche Medienförderung

25.000 €

Deutscher Filmförderfonds

43.232 €

Medienboard Berlin-Brandenburg

80.000 €

Werbung

Familie Brasch ist am 28. Februar 2019 auf DVD bei Salzgeber & Co Medien erschienen (Bonusmaterial: ein Gespräch mit Gunnar Decker über das Jahr 1965 in der DDR, ein Booklet und der Kinotrailer).

Auf den Webseiten von Salzgeber & Co Medien und IT Works! Medien sind Übersichtsseiten mit Informationen und Material rund um den Film zu finden, darunter zum Beispiel der Trailer, eine Zusammenfassung, Pressestimmen und ein Interview mit Annekatrin Hendel. Außerdem gibt es eine Facebook-Seite zu Familie Brasch. Zum Kinostart wurde Annekatrin Hendel von Jochen Kürten interviewt (Made for Minds).

Filminhalt

Handlung

Familie Brasch erzählt die Geschichte der Künstler- und Funktionärsfamilie Brasch. Die Eltern Horst und Gerda, jüdische Emigranten, lernten sich während des zweiten Weltkrieges in London kennen und wollten nach Kriegsende als überzeugte Kommunisten helfen, ein sozialistisches Deutschland aufzubauen. Während Horst in der Partei Karriere machte, wurden seine Söhne Thomas, Klaus und Peter Künstler und sahen den SED-Staat zunehmend kritisch. Die Auseinandersetzungen wurden immer unversöhnlicher. Kronzeugin des Films ist Marion Brasch, das jüngste Kind. Sie liest aus ihrem Roman über die Familie und erzählt, wie schwierig der Umgang miteinander war. Daneben treten Freunde und Bekannte auf – zum Beispiel die Schauspielerin Katharina Thalbach (langjährige Lebenspartnerin von Thomas Brasch, der einer der bekanntesten DDR-Autoren wurde) oder der Schriftsteller Christoph Hein.

Zentrale Figuren

Marion Brasch (Jahrgang 1961), jüngstes Kind von Horst und Gerda Brasch, Journalistin und Schriftstellerin. 2012 schrieb sie den Roman meiner fabelhaften Familie (Titel: Ab jetzt ist Ruhe), in dem sie die Familiengeschichte verarbeitet. Mit ihrer Tochter Lena veranstaltete sie auch Theaterabende zu diesem Thema.

Horst Brasch (1922 bis 1989), jüdischer Katholik, flüchtete 1938 nach London, wurde im Exil Kommunist und ging nach dem Krieg in den Osten, um den Sozialismus aufzubauen. 1965 wurde er stellvertretender Kulturminister – und 1968 abgelöst, nachdem Sohn Thomas verhaftet worden war. 1975 Generalsekretär der Liga für Völkerfreundschaft.

Gerda Brasch (1921 bis 1975), Frau von Horst und vierfache Mutter. Wuchs in Wien auf und wanderte 1938 nach Großbritannien aus, wo sie Horst kennenlernte. Nach anfänglichem Zögern folgte sie ihrem Mann in die sowjetische Besatzungszone, war jedoch ihr Leben lang unglücklich, da sie den Traum von einer Künstlerkarriere zugunsten ihres Mannes aufgegeben hatte.

Thomas Brasch (1945 bis 2001), ältester Sohn, bekannter DDR-Schriftsteller, arbeitete im Westen auch als Drehbuchautor und Regisseur. Thomas sah die DDR zunehmend kritisch und sagte das auch öffentlich. 1968 wurde er nach Protesten gegen den Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag verhaftet, kam aber statt einer Haftstrafe von über zwei Jahren nach etwa zwei Monaten frei. 1976 aus der DDR ausgewiesen. Lebte fortan in Westberlin.

Klaus Brasch (1950 bis 1980), zweitältester Sohn. Wegen Befehlsverweigerung beim Militärdienst vorbestraft. Später Schauspieler. Klaus starb jung nach einer Verletzung am Filmset an einem Cocktail aus Alkohol und Schlaftabletten.

Peter Brasch (1955 bis 2001), dritter Sohn, war wie Thomas Schriftsteller. Er studierte Germanistik in Leipzig, wurde wegen Protesten gegen die Ausbürgerung des DDR-Liedermachers Wolf Biermann jedoch vom Studium ausgeschlossen.

Gesellschaftsbild

Familie Brasch steht stellvertretend für die Widersprüche und Konflikte der DDR-Eliten – für das Ringen um den richtigen Weg zum Sozialismus, für den Widerspruch zwischen Politik und Kunst, für die Verlockungen des Alternativmodells im Westen, für die Konflikte zwischen den Gründern und der Aufbaugeneration auf der einen Seite und den Nachwachsenden auf der anderen.

Horst Brasch verkörpert dabei die Kommunisten, die glaubten, die Lehren aus Faschismus und Krieg gezogen zu haben und nun eine bessere Welt aufbauen wollten. Im Kulturministerium vertrat Brasch eine harte Linie und verantwortete zahlreiche Verbote. Reformen lehnte er bis zum Ende seines Lebens ab.

Thomas Brasch und seine Brüder stehen für die nächste Generation. Sie lehnen den Sozialismus ihres Vaters nicht ab. Florian Havemann, der mit Thomas befreundet war, sagt, sie seien als Kinder „glühende Stalinisten“ gewesen. Mit den Kultur-Verboten, dem Prager Frühling und durch die Biermann-Ausbürgerung sank zwar das Vertrauen in die Partei, der Sozialismus aber sollte nicht beerdigt, sondern weiterentwickelt werden. Marion Brasch liest aus einem Brief von Thomas an seinen Vater: „Ich hoffe nicht, dass die DDR kaputt geht […]. Ich will, dass die DDR sein kann, was Marx sich von Deutschland gewünscht hat.“ Marion selbst schließt sich diesem Urteil an. Die Vereinigung habe für sie 1989/90 nicht auf der Tagesordnung gestanden. „Man hätte was anderes versuchen können mit dem Land.“

Ästhetik und Gestaltung

Die DDR ist in Familie Brasch kaum zu sehen. Man spricht über dieses Land. Kontext und Lebensstationen werden über Texteinblendungen visualisiert – unterlegt mit Musik, die atmosphärisch an die Informationen angepasst ist. Zur Gründung der FDJ im Londoner Exil gibt es zum Beispiel fröhliche Töne. Später wird die Musik immer düsterer. Um die restriktive Kulturpolitik zu verdeutlichen, werden Filmplakate mit dem Stempel „Verboten“ gezeigt.

Authentizität

Strategien der Authentizitätskonstruktion

Familie Brasch wirkt allein durch die Gestaltung sehr authentisch. Es sprechen Menschen, die Familie Brasch kannten und erlebt haben. Dazu gibt es Originalmaterial (Bilder, Videos, Töne), zum Teil aus Privatbeständen, aber auch aus Archiven oder Spielfilmen. Die Texteinblendungen sorgen für den historischen Kontext und verstärken so die Glaubwürdigkeit.

Rezeption

Reichweite

Familie Brasch wurde am 29. Juni 2018 auf dem Filmfest München uraufgeführt, der deutsche Kinostart war am 16. August 2018. Insgesamt wurden 33.348 Kinotickets verkauft (Rang 65 der Kinocharts 2018). Im Fernsehen hatte der Film am 9. Oktober 2019 Premiere (im Ersten).

Rezensionen

Familie Brasch wurde in den Medien ausgiebig besprochen, das Urteil war dabei einhellig sehr positiv. Ob Bert Rebhandl in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Gunnar Decker im Neuen Deutschland oder Maresa Sedlmeier in der Süddeutsche Zeitung – alle lobten Annekatrin Hendel. Besonders hervorgehoben werden der Fokus auf die Familie (Süddeutsche Zeitung) und die persönlichen Erinnerungen. Dadurch „bekommt das Tableau Tiefe, wird zum faszinierenden Relief einer Kulturlandschaft-Ost“ (Neues Deutschland).

Formale Kritik kam von Matthias Dell im Spiegel: Er bezeichnet Familie Brasch als „interessante und unterhaltsame Annäherung“, die allerdings zu kurz ausfalle, da der Stoff auch ganze Serien füllen könne. Inhaltliche Einwände formulierte einzig Jana Hensel in der Zeit. Zwar erzähle der Film „eindrucksvoll von ostdeutschen Ausnahmebiografien“, er dringe allerdings nicht weit genug in den Stoff ein, sondern verharre bei einem konventionellen Blick auf die Vergangenheit.

Auszeichnungen

Familie Brasch war für die Kategorie „Neues Deutsches Kino“ auf dem Filmfest München 2018 nominiert.

Erinnerungsdiskurs

Familie Brasch bedient mehrere Erinnerungstypen. Der Film schwankt zwischen Diktatur- und Fortschrittsgedächtnis, liefert aber auch Anknüpfungspunkte für das Arrangementgedächtnis. Wie so vieles in diesem Familienporträt lassen sich die verschiedenen Erinnerungsnarrative an den Familienmitgliedern festmachen. Das Fortschrittsgedächtnis verkörpert vor allem Vater Horst, der zu einem der Gründerväter der DDR wurde. Zwar sahen auch seine Kinder das Potential der sozialistischen Werte, gleichzeitig widersprachen sie aber den Methoden der SED entschieden. Bei Thomas zeigt sich das Diktaturgedächtnis am deutlichsten. Er war der Gegenpol zu seinem Vater, der heftigste Kontrahent bei politischen Diskussionen. Für seine Überzeugungen ging er zunächst ins Gefängnis, später in den Westen. Klaus und Peter sahen das ähnlich, vertraten ihre Grundsätze aber weniger vehement und waren eher bereit zum Kompromiss.

Empfehlung

Empfehlung der Autorin

Der Film zeigt die DDR auf sehr persönliche Weise. Die Erinnerungen von Marion Brasch und aus dem Umfeld der Familie sind privat und emotional. Wer wenig Hintergrundwissen hat, vermisst möglicherweise etwas historischen Kontext. Für alle anderen sehenswert.

Empfohlene Zitierweise

Familie Brasch. In: Daria Gordeeva, Michael Meyen (Hrsg.): DDR im Film 2024, https://ddr-im-film.de/index.php/de/film/familie-brasch