Fritzi – Eine Wendewundergeschichte
Inhalt
- Kurzinformationen
- Filmdaten
- Kurzbeschreibung
- Schlagworte
- Entstehungskontext
- Beteiligte
- Filminhalt
- Handlung
- Figuren
- Gesellschaftsbild
- Ästhetik und Gestaltung
- Strategien der Authentizitätskonstruktion
- Rezeption
- Reichweite
- Rezensionen
- Auszeichnungen
- Einordnung in den Erinnerungsdiskurs
-
Empfehlung der Autorin
Entstehungskontext
Beteiligte
Regisseure sind Ralf Kukula, geboren 1962 in Dresden, und Matthias Bruhn, geboren 1962 in Bielefeld. Kukula arbeitete ab 1981 im DEFA-Studio für Trickfilme und schloss 1987 ein Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Babelsberg als Trickfilmzeichner ab. Matthias Bruhn studierte Grafik-Design an der Fachhochschule Düsseldorf.
Ralf Kukula sagte, dass er seine Erlebnisse und Erfahrungen aus der DDR in den Film eingebracht habe. Matthias Bruhn als echter „Wessi“ habe die andere Seite der deutschen Geschichte ergänzt und kenne die DDR ansonsten nur von Kurzausflügen, die ein bedrückendes Gefühl hinterließen.
Das Drehbuch wurde von Beate Völcker und Péter Palátsik geschrieben. Völcker wurde in Heidelberg geboren und studierte in den USA (Schulkinowochen Berlin). Palátsik, geboren 1968 in Ansbach, studierte ab 1991 Drehbuch und Filmregie an der Film- und Fernsehakademie Budapest in Ungarn (Abschluss: Master of Fine Arts). Das Drehbuch ist eine Romanadaption. Beate Völcker sagte, dass die Grenze sowie die Konsequenzen von Ungehorsam für sie die DDR ausmachen: „Wie verdeutlicht man Kindern sonst, was die DDR war? Was eine Diktatur ist, was es heißt, in Unfreiheit zu leben, nicht reisen zu können, nicht sagen zu können, was man denkt?“
Fritzi – Eine Wendewundergeschichte stützt sich auf den Kinderroman Fritzi war dabei – Eine Wendewundergeschichte von Hanna Schott (2009). In der Vorlage ist Fritzi erst neun und beteiligt sich mit selbstgebastelten Transparenten an den Demonstrationen von 1989: „Ein Land ohne Mauer – da ist keiner sauer!“ Autorin Hanna Schott , geboren 1959, ist in der BRD aufgewachsen, hatte aber Verwandte in der DDR (Deutsche Welle). Sie hat Leipziger befragt und daraus eine Geschichte gemacht.
Produzenten waren Regisseur Ralf Kukula und seine Produktionsfirma Balance Film, gemeinsam mit TrickStudio Lutterbeck, Maur film, Artémis Productions und Doghouse Films mit MDR, Kika, NDR, WDR und Arte.
Die Produktion wurde von einer ganzen Reihe öffentlicher Geldgeber gefördert. Insgesamt kamen so rund zwei Millionen Euro zusammen.
Förderer & Förderzweck |
Fördersumme |
Mitteldeutsche Medienförderung: Drehbuch, Nachwuchs (2019) |
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Film- und Medienstiftung NRW: Verleih (2019) |
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BKM: Produktion & Kuratorium junger Deutscher Film (2016) |
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Deutscher Filmförderfonds (2017) |
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MFG Baden-Württemberg: Kinostart im Ausland (2020) |
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MFG Baden-Württemberg: Animation (2016) |
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EURIMAGES: Co-Produktion (2017) |
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Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur: Internetseite (2019) |
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Film Fund Luxembourg (2019) |
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Belgian Tax Shelter |
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State fund cinematography Czech Republic (2018) (Fany byla při tom) |
Es gab einen Trailer sowie Berichte zum Filmstart in Fachzeitschriften und auf Fachwebseiten (darunter Kinderfilmwelt und Artechok). Dazu kamen pädagogisches Begleitmaterial sowohl zum Buch als auch zum Film, ein Presseheft vom Verleih (Kosmos) und eine sehr liebevoll gestaltete Website (kindergerecht und interaktiv). Es gibt dort Artikel über Schule, Stasi und die DDR sowie Kurzportraits der Hauptfiguren und Videointerviews mit einem Grenzpolizisten, dem Pfarrer der Nikolaikirche, Mitgliedern der Friedensgruppen, einem SED-Mitglied und einfachen Menschen. Fritzi – Eine Wendewundergeschichte wurde insbesondere von Organisationen unterstützt, die sich der Diktatur widmen. Die Bundesstiftung Aufarbeitung organisierte die Berliner Premiere, das Projekt Mauerfall 30 nahm den Film in sein Programm auf.
Filminhalt
Handlung
Leipzig, 1989. Fritzi und Sophie sind unzertrennlich. Sie kommen nach dem Sommer in die sechste Klasse. Sophie und ihre Mutter planen einen Urlaub in Ungarn. Fritzi darf diesmal nicht mit, und der kleine Terrier Sputnik muss auch in Leipzig bleiben, bei Fritzi und ihrer Familie. Am ersten Schultag ist Sophie noch immer nicht da. In der Schule wird von einer „Republikflucht über Ungarn“ gesprochen. Immerhin ist der neue Mitschüler Bela ganz nett. Sophie ruft irgendwann aus dem Westen an und sagt, sie vermisse Fritzi und Sputnik ganz doll. Nach einigem Hin und Her entscheidet sich Fritzi, Sputnik um jeden Preis zu Sophie zurückzubringen. Bei einem Klassenausflug versucht sie, zusammen mit Bela über die Grenze zu kommen. Sie wird dabei erwischt, fast angeschossen und von der Stasi verhört. Durch Belas Vater kommt Fritzi in Berührung mit den Demonstrationen und überredet ihre Eltern mitzugehen. Als am 9. November die Grenzöffnung verkündet wird, sind die Mädchen und der Hund endlich wieder vereint.
Zentrale Figuren
Fritzi Langmann – eine Zwölfjährige aus Leipzig. Anfangs eher uninteressiert am politischen Geschehen. Ermahnt ihre Mutter, im Radio auch mal etwas anderes als Nachrichten zu hören. Sie verbringt viel Zeit mit ihrer besten Freundin Sophie und dem Hund Sputnik. Nach Sophies Verschwinden wird Fritzi mutiger: Sie widerspricht der Lehrerin, versucht, über die Grenze zu kommen und überredet ihre Mutter, zur Demonstration zu gehen. Fritzi ist eine treue Freundin, legt wenig Wert auf die Aussagen der Erwachsenen und bildet sich selbst eine Meinung. Außerdem lässt sie sich nicht von den Stasi-Offizieren einschüchtern und versucht unbeirrt, ihren Plan durchzuziehen. Sie versteht nicht, wie die Grenze ein „Schutzwall“ sein kann, wenn dort auf Menschen geschossen wird, die raus wollen.
Sophie Vollmer – Fritzis beste Freundin. Die zwei sind unzertrennlich. Sophie wird von der Mutter ohne ihre Zustimmung über Ungarn zur Oma in die BRD gebracht.
Bela Rotkirch – Fritzis neuer Klassenkamerad. Ist nicht bei den Pionieren und wird deshalb von der Klassenlehrerin beobachtet. Bela ist selbstsicher und schlau und will später studieren. Nimmt schon länger an den Demonstrationen teil und weiß über die Hintergründe Bescheid. Rät Fritzi, sich nicht mit dem Rest der Klasse anzulegen, um keinen Ärger zu kriegen. Ist dennoch schnell ein guter Freund und Komplize für Fritzis Vorhaben.
Genossin Liesegang – die strenge Klassenlehrerin von Fritzi und Bela. Überzeugt von der DDR. Unfair und streng gegenüber denen, die von der Norm abweichen (wie Fritzi und Bela) und sehr nett zu denen, die das System akzeptieren (wie Benny, dessen Vater eine hohe Position in der SED hat). Überfordert, als Fritzi erzählt, man habe an der Grenze auf sie geschossen („Ruhe!“). Bricht emotional zusammen, als sie die Demonstration auf der Straße sieht.
Klaus Langmann – Fritzis Vater. Er macht sich Sorgen um die Familie und wehrt sich vehement gegen die Idee auszuwandern: „Aber es können doch nicht einfach alle ausreisen!“ Er ist zwar kein Verfechter des Systems und findet die Demonstrationen grundsätzlich gut, will aber nicht auffallen. Zum Sinneswandel kommt es, als er bei einer Demo auf der Suche nach seiner Tochter von der Stasi verhaftet wird.
Julia Langmann – Fritzis Mutter und beste Freundin von Sophies Mutter. Ist wie fast alle Erwachsenen im Film interessiert am politischen Geschehen und besorgt um ihre Familie. Anders als Klaus ist sie für eine Ausreise. Sie glaubt, dass die Kinder in der BRD eine bessere Zukunft haben und ist unzufrieden mit dem System, will aber nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Gesellschaftsbild
In Fritzis Welt ist zunächst alles in Ordnung. Nach Sophies Abreise wird sie aber immer wieder mit einer zweigeteilten Gesellschaft konfrontiert. Da sind einerseits die aggressiven Stasi-Leute und diejenigen, die die Demonstranten als „Raudis“ und „Fanatiker“ bezeichnen: die Reisebüro-Dame, die Fritzis Wunsch, nach Ungarn zu gehen, der Stasi meldet, oder die Klassenlehrerin, die Fritzi und Bela besonders streng behandelt, weil sie nicht ins Bild passen wollen. Gleichzeitig begegnen Fritzi immer wieder Menschen, die das System hinterfragen: die Nachbarin, die ihr hilft, vor der Stasi zu fliehen, oder Birgit, deren Onkel an der Mauer erschossen wurde und die Fritzis Ausschluss aus der Schule verhindert. Dennoch wirkt die Gesellschaft ängstlich und zurückhaltend. Die meisten Menschen wollen in der DDR bleiben, sei es aus Angst oder aus Überzeugung (wie Fritzis Papa). Die großen Gesten der Rebellion bleiben zunächst Punks und Hippies überlassen. Nach und nach aber gewinnen auch andere an Mut und gehen auf die Straße. Der Mauerfall wirkt am Schluss wie eine Belohnung.
Die DDR wird von Geheimdienst, Polizei und Schule repräsentiert. Die Stasi wirkt kühl, berechnend und allgegenwärtig. Die Spione tarnen sich zwar als normale Bürger, aber jeder erkennt sie. Die Grenzpolizei wirkt noch dümmer. Der Offizier, der in der Schule einen Vortrag hält, ist schnell mit Fritzis Fragen zur Grenze überfordert und weist die Lehrerin zurecht, dass es ihre Aufgabe sei, den Kindern „das Beispiel einer klaren ideologischen Führung zu geben“.
In der Schule ist Frau Liesegang besonders streng gegenüber Fritzi und Bela. Benny, den Sohn des Kreisschulrats, behandelt sie viel besser. Die Klassenlehrerin sagt häufig Parolen auf („Seid bereit – immer bereit!“, „Achtung und Respekt vor Euren Lehrern ist die Grundlage unserer Sozialistischen Schule!“, „Wer sich heute nicht für diesen Staat einsetzen will, kann nicht erwarten, dass sich der Staat morgen für ihn einsetzen wird.“) und wirkt so eher wie eine Puppe als ein Mensch – auch verglichen mit den anderen Erwachsenen im Film.
Ästhetik und Gestaltung
Die DDR wirkt in diesem Film insgesamt freundlich, auch wenn man Löcher in der Straße sieht und das Leben einfach und schlicht ist. Die Begegnungen mit der Stasi, Fritzis Verhör und die Demonstrationen, bei denen der Staat eingreift, finden im Dunkeln statt und haben einen beängstigend kalten Charakter. Die Aufnahmen aus dem Fernsehen sind anders gezeichnet und heben sich vom Rest ab.
Authentizität
Strategien der Authentizitätskonstruktion
Die Fernsehaufnahmen wirken wie echte Bilder. Im Abspann werden außerdem Demonstrations-Bilder gezeigt, die den Film-Bildern sehr ähneln. Beim Set und den Requisiten gab es Unterstützung vom Bürgerarchiv Leipzig sowie Filmemacherinnen und Fotografen aus der Stadt. Regisseur Ralf Kukula sagte, man habe viel Wert auf die Authentizität gelegt.
Rezeption
Reichweite
Fritzi – Eine Wendewundergeschichte kam am 9. Oktober 2019 ins Kino und hat dort 66.716 Tickets verkauft. Der Film wurde bei mehreren Kinderfilmfestival in Deutschland (Film Festival Cologne, Filmnächte Chemnitz und Filmfestival Schlingel, Schulkinowochen) und auch international gezeigt. Fritzi war eine Weile kostenlos bei Amazon Prime zu sehen. Zur Ausstrahlung auf arte (7. Oktober 2020) und auf dem Kinderkanal (9. und 11. Oktober 2020) gab es die MDR-Dokumentation „Auf der Suche nach Fritzi“ (Presseportal).
Rezensionen
Der Film hat es (sicher auch bedingt durch seine Zielgruppe) nicht in die Leitmedien geschafft. Dafür ist er umso stärker in Fachmedien wie BLICKPUNKT:FILM, Kinderfilmwelt, Prisma oder epd Film beachtet und als gelungener Zeichentrickfilm gelobt worden. Leo Mayer (Artechok): „Fritzi verführt den Zuschauer durch genau das Tempo, die Lautstärke und Farben, die so eine Wendewundergeschichte braucht. Dank des moderaten Einsatzes aller Stilmittel ist FRITZI ein feiner Film geworden“. Auch einige Rundfunkanstalten berichteten über den Film (MDR, Deutschlandfunk). Im ZDF wurde geraten, den Film mit den Kindern gemeinsam zu schauen, um „auch Begriffe wie ‚propagandistische Hetzkampagne‘ oder andere Themen aus der SED-Parteisprache“ erklären zu können.
Grundsätzlich ist der Tenor positiv. Es wird von einem gelungenen und außergewöhnlichen Film gesprochen. Einige wenige Rezensionen bemängelten die teilweise karikierten Charaktere und die manchmal zu einfache Darstellung (etwa Stefan Petraschewsky im MDR). Ralf Krämer riet in der Berliner Morgenpost dazu, „nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen und jede Handlung zu hinterfragen. Zu angreifbar macht sich die hier bisweilen gezwungen wirkende kindliche Perspektive, zu didaktisch wirkt das einmontierte Realfilm-Archivmaterial“.
Auszeichnungen
Preis der Deutschen Filmkritik – Bester Kinderfilm (2019)
FBW (Deutsche Film- und Medienbewertung) Siegel-Prädikat: "besonders wertvoll" (2019)
"Goldener Hecht" Kategorie Held*innen Kinolino Filmfestival Dresden (2019)
FILEM´ON Animation Award Brüssel (2019)
Best Animation Award 8-12 Jahre 12. Junior Fest Pilsen (2019)
Erinnerungsdiskurs
Der Film ist deshalb besonders, weil er eine besondere Zielgruppe hat. Fritzi hat eine leichte Tendenz in Richtung Diktatur-Erinnerung, wenn man die entsprechenden Figuren betrachtet (Frau Liesegang, die Stasi, die Mauerpolizei), verbindet dies aber mit dem Alltag und einem Familienleben, die wenig mit den Strukturen des Staates zu tun haben. Hier wird eine relativ ausgeglichene Darstellung geschaffen, die insbesondere für die junge Zielgruppe nachvollziehbar ist.
Empfehlung
Empfehlung der Autorin
ür Zeichentrickliebhaber und Kinder ist dieser Film absolut sehenswert. Die Geschichte ist spannend und liebevoll erzählt, Zeichnungen und Musik schaffen eine angenehme Atmosphäre. Hinzu kommt die schöne und nachvollziehbare Entwicklung der Hauptfigur Fritzi, die auf einmal mit der Erwachsenenwelt konfrontiert ist und einen Weg findet, das alles zu verstehen. Was besonders gut gelungen ist: Geschichte erzählen, aber kindgerecht und dennoch so, dass hinterher eine Diskussion stattfinden kann. Denn Fritzis Fragen sind auch die Fragen des Publikums.
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