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Vorwärts immer!

Kurzinformationen

Filmdaten

Titel
Vorwärts immer!
Erscheinungsjahr
2017
Produktionsland
Originalsprachen
Länge
94 Minuten

Kurzbeschreibung

Um seine Tochter auf der Montagsdemonstration in Leipzig zu schützen, imitiert ein Theaterschauspieler Erich Honecker. Beim Versuch, den Schießbefehl auf die Demonstrierenden zurückzunehmen, stößt er allerdings auf Honeckers Gattin Margot und den echten Generalsekretär.

Schlagworte

Zeit
Schauplatz
Genre
Motive

Entstehungskontext

Beteiligte

Regie

Franziska Meletzky, Jahrgang 1973, kommt aus Leipzig und hat dort nach dem Abitur zunächst auch studiert (Germanistik, Anglistik und Kommunikationswissenschaft). Sie wechselte an die Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Babelsberg, wo sie Film- und Fernsehregie studierte und mit dem Film Nachbarinnen (2004) abschloss, der für den First Steps Award 2004 nominiert wurde und den DEFA-Nachwuchsförderpreis erhielt. Neben Vorwärts immer! (bei dem sie auch am Drehbuch mitgeschrieben hat) beschäftigte sich Meletzky in den Fernsehfilmen Es ist nicht vorbei (2011) und Verräter – Tod am Meer (2017) mit der DDR. Seit 2017 verwendet Meletzky den Vornamen Francis.

Drehbuch

Günter Knarr

Günter Knarr wurde 1955 im oberfränkischen Helmbrechts geboren. Er studierte Theaterwissenschaft, wurde anschließend Synchron- und Drehbuchautor und bekam 1991 einen Preis für Die netten Mörder von nebenan. Mit dem Film Holgi feierte Knarr 1999 sein Debüt als Regisseur. Seit 2005 ist er Gesellschafter der Crazy Film GmbH, einer der an Vorwärts immer! beteiligten Produktionsfirmen.

Philipp Weinges

Philipp Weinges wurde 1960 in München geboren. Seine Vita ist stark mit der von Günter Knarr verbunden. Bei seinem Regiedebüt Japaner sind die besseren Liebhaber (1994) schrieb Knarr am Drehbuch mit. Seit 2005 ist Weinges ebenfalls Gesellschafter der Crazy Film GmbH, seit 2008 führt er die Firma als Geschäftsführer. Von 2004 bis 2010 war Weinges Mitglied des Verwaltungsrates der Filmförderanstalt und von 2015 bis 2019 Vorsitzender der Deutschen Filmakademie.

Markus Thebe

Neben Vorwärts immer! war Thebe auch Drehbuchautor für den Polizeiruf Jenseits (2007) und den TV-Film Hochzeit um jeden Preis (2007).

Produktion

Andreas Richter wurde 1965 geboren und ist promovierter Diplom-Kaufmann. Die von ihm produzierten Filme Wer früher stirbt, ist länger tot (2006) und Almanya – Willkommen in Deutschland (2011) wurden 2007 beziehungsweise 2011 beim Deutschen Filmpreis als Bester Spielfilm in Silber ausgezeichnet. Für Wer früher stirbt, ist länger tot bekam Richter zudem den Produzentenpreis beim Bayerischen Filmpreis 2006. 2001 reaktivierte Richter gemeinsam mit Annie Brunner und Ursula Woerner die Produktionsfirma Roxy Film. Seit 2004 sind die drei geschäftsführenden Gesellschafter der Firma. Neben Andreas Richter waren auch die Drehbuchautoren Günter Knarr und Philipp Weinges Produzenten der Komödie.

Finanzierung

Vorwärts immer! erhielt rund zwei Millionen Euro Fördermittel. Das Gesamtbudget wurde nicht veröffentlicht.

FilmFernsehFonds Bayern (FFF)

200.000 Euro (Produktion), 50.000 Euro (Verleih), 20.000 (Drehbuch), 288.000 Euro (Erfolgsdarlehen)

Filmförderungsanstalt (FFA)

432.000 Euro (Produktion), 75.000 Euro (Verleih), 100.000 Euro (Medialeistungen)

Medienboard Berlin-Brandenburg

350.000 Euro (Produktion), 50.000 Euro (Verleih)

Hessen-Invest Film

600.000 Euro

Werbung

Zwei Monate vor dem Kinostart im Oktober 2017 wurde ein Trailer veröffentlicht. Zudem gab es eine Seite auf Facebook (fast 2.000 Likes bis November 2020). Das Filmposter zeigt Hauptdarsteller Jörg Schüttauf in seiner Doppelrolle als Otto Wolf und Erich Honecker. Der Film wurde vom Netzwerk für Film und Medienkompetenz Vision Kino für den Unterricht empfohlen und war Teil der SchulKinoWochen in Hessen.

Filminhalt

Handlung

Anne Wolf ist von ihrem Freund Matti Stein schwanger. Da sie für sich und ihr Kind keine Zukunft in der DDR sieht, beschließt sie zu flüchten. Ihr Vater, der Schauspieler Otto, ist jedoch strikt dagegen. Anne wendet sich an August Weiß, der sie mit nach Leipzig nimmt, wo er ihr einen Westpass besorgen will. Als Otto davon erfährt und zugleich mitbekommt, dass die DDR-Führung bei den Demonstrationen in Leipzig Gewalt anwenden könnte, entwirft er einen gewagten Plan: Er verkleidet sich als Erich Honecker, um den Schießbefehl zurückzunehmen. Die Praxis ist allerdings komplexer als die Theorie. Otto trifft Erichs Gattin Margot und es entwickelt sich ein absurdes Verwechslungsszenario. Letztlich hilft Margot aber Otto, der so Gewalt verhindern kann.

Zentrale Figuren

Otto Wolf (Jörg Schüttauf) – Der Schauspieler will Erich Honecker spielen – in einem nicht genehmigten Theaterstück. Seine Frau ist bereits vor Jahren in den Westen geflohen. Oberste Priorität hat für ihn jetzt seine Tochter Anne. Um sie zu schützen, zerreißt er erst ihren Westpass und lässt sich im Anschluss auf den waghalsigen Plan ein, Erich Honecker zu imitieren. Darsteller Jörg Schüttauf wurde 1961 in Karl-Marx-Stadt geboren und in der DDR Theaterschauspieler. 1992 wurde er mit seiner Hauptrolle in Lenz (1992) auch einem gesamtdeutschen Publikum bekannt. Schüttauf ist in vielen Filmen mit DDR-Bezug zu sehen: Die Architekten (1990), Berlin is in Germany (2001), Der Stich des Skorpion (2004), Küss mich, Genosse! (2007), Wir sind das Volk – Liebe kennt keine Grenzen (2008), Der gleiche Himmel (2017), Walpurgisnacht – Die Mädchen und der Tod (2019), und Unterleuten (2020).

Anne Wolf (Josefine Preuß) – Ottos Tochter und wie ihr Vater Schauspielerin. Die DDR hat für sie keine Zukunft. Als sie erfährt, dass sie schwanger ist, will sie fliehen – eine Entscheidung, die gereift ist, seit die Mutter das Land verlassen hat. Privat gerät sie schnell zwischen die Fronten: Sie kann sich nicht zwischen Matti, dem Vater ihres Kindes, und August entscheiden, der ihr den Pass verschafft. Josefine Preuß ist 1986 in Zehdenick zur Welt gekommen. Ihre ersten Schritte als Schauspielerin machte sie bereits als Kind am Potsdamer Hans Otto Theater – dort, wo auch Hauptdarsteller Jörg Schüttauf lange tätig war.

Matti Stein (Marc Benjamin) – Annes Freund und Sohn des größten Schauspielrivalen ihres Vaters. Als er von Annes Schwangerschaft hört, ist er geschockt. Die Karriere scheint wichtiger. Außerdem will er nicht in den Westen fliehen. Mit der DDR hat er sich arrangiert.

August Weiß (Jacob Matschenz) – ein Rebell, der Anne einen gefälschten Ausweis besorgt und im Visier der Staatssicherheit ist, weil er die Montagsdemonstrationen in Leipzig dokumentieren und die Bänder in den Westen schmuggeln will. Jacob Matschenz wurde 1984 in Berlin (DDR) geboren. Für seine Rolle im Film An die Grenze (2007) wurde er 2008 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Matschenz spielte auch in Das System – Alles verstehen heißt alles verzeihen (2011) und Sputnik (2013) mit.

argot Honecker (Hedi Kriegeskotte) – Die Frau des Parteichefs ist eine Autoritätsfigur, die sich weder von ihrem Mann noch von Erich Mielke oder Egon Krenz etwas sagen lässt und für den Schießbefehl in Leipzig ist.

Gesellschaftsbild

In Vorwärts immer! ist die staatliche Überwachung omnipräsent. Die Stasi verfolgt Anne und August auf Schritt und Tritt. Auch in Ottos Schauspieltruppe gibt es Informanten. Sogar Erich Honeckers Büro im Zentralkomitee der SED ist verwanzt. Zugleich wirken die Staatsorgane inkompetent: So brauchen die Wachsoldaten einige Minuten, um zu begreifen, dass ein Honecker-Double in Wandlitz ist. Nur Margot durchschaut den Imitator. Egon Krenz, Erich Mielke und andere ZK-Mitglieder fallen auf den Trick herein. Trotzdem vertrauen die Anhänger der Partei den Strukturen. Niemand stellt Ottos Maskerade in Frage. So kann ein Kollege von Otto in die Haut von Stasi-Chef Mielke schlüpfen und in Sonnenkönig-Manier sagen: „Ich bin die Staatssicherheit!“

In der Film-DDR gibt es Rebellen und Arrangierte. Zu den Rebellen gehören Anne und August, aber auch Annes Mutter. Sie sehen für sich keine Zukunft in der DDR und sehnen sich nach Freiheit. Zu den Arrangierten gehören Otto und Matti – privilegierte Schauspieler, die besorgt sind, als Anne die DDR verlassen und an den Montagsdemonstrationen in Leipzig teilnehmen will. Den Arrangierten geht es um Sicherheit. Der Konflikt Freiheit versus Sicherheit macht für Franziska Meletzky offenbar die DDR aus. Dafür braucht sie keinen Vergleich mit der Bundesrepublik.

Ästhetik und Gestaltung

Besonders auffällig sind die Stasi-Szenen mit ihrer dunklen Farbpalette. Die Szenen im Zentralkomitee der SED haben dagegen einen hell-goldenen Farbton. Dieser Kontrast steht für den Widerspruch zwischen dem öffentlichen Bild, das die Partei von sich zeichnet, und dem Überwachungsapparat.

Authentizität

Strategien der Authentizitätskonstruktion

Authentizität kreiert Vorwärts immer! vor allem durch die Beteiligung vieler Menschen mit DDR-Bezug. Neben Regisseurin Francis Meletzky sind auch Josephine Preuß und Jacob Matschenz in der DDR geboren worden. Hauptdarsteller Jörg Schüttauf war wie seine Figur Otto Schauspieler in der DDR. Der Badischen Zeitung sagte er, dass der Film im Detail schon über die Realität hinausgehe. „Aber wir haben tatsächlich etwas Ähnliches gemacht. Das Stück hieß Revisor oder Katze aus dem Sack von Jürgen Groß, basierend auf dem russischen Stück von Nikolai Gogol über einen angeblichen Revisor, der die Funktionäre eines Dorfes aufschreckt, weil alle Dreck am Stecken haben. Groß übertrug das auf die Verhältnisse in der DDR. Wir kamen im Herbst 1988 bis zur Premiere. Danach wurde das Stück abgesetzt.

Gedreht wurde an historischen Schauplätzen wie dem Grenzübergang an der Bornholmer Straße oder in Wandlitz. Außerdem wurden Originalaufnahmen verwendet (etwa zu Wolf Biermanns Konzert vom 19. November 1976 in der Kölner Sporthalle).

Rezeption

Reichweite

Vorwärts immer! kam am 12. Oktober 2017 in die deutschen Kinos. Mit 64.025 verkauften Tickets kam der Film auf Platz 60 der deutschen Produktionen in den Kino-Jahrescharts. Den Sprung in die Top 100 verpasste der Film allerdings deutlich. Vorwärts immer! hatte am 14. Januar 2019 bei Sky TV-Premiere. Seitdem wurde der Film mehrfach im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt.

Rezensionen

Die Komödie von Francis Meletzky wurde in der Kritik größtenteils positiv bewertet. Bert Rebhandl (Frankfurter Allgemeine Zeitung) lobte vor allem die schauspielerische Leistung: „In Vorwärts immer! könnte die vereinigte Bundesrepublik wieder einmal lernen, dass die Revolution von 1989 ein so heroisches Geschehen war, dass man sich ihrer besser mit möglichst wenig Pathos erinnert. Sondern mit dem Hintersinn dieses im besten Sinn erbaulichen Films, und mit der verwegenen Komik eines Jörg Schüttauf, der den Weltgeist ganz großartig zum Nuscheln bringt.“ Christian Henning (BILD) nannte Vorwärts immer! sogar den „lustigsten Film zum Mauerfall seit Good Bye, Lenin!. Der Film wurde auch von Martin Schwickert (Tagesspiegel, „gelungene Ausnahmeerscheinung des DDR-Komödiengenres) und von der Deutschen Presse-Agentur („lustige Politkomödie“) gelobt.

In Fachmedien stieß die Komödie auf kritischen Zuspruch. Britta Schmeis (epd-Film) schreibt: „Das klingt alles schwer nach Klamauk, ist es streckenweise auch. Trotzdem gelingt Meletzky eine durchaus amüsante Politkomödie mit ausgefeiltem Sprachwitz und der Portion Retro-Charme samt Trabi, Creme 21 und Udo-Lindenberg-Schallplatte, die ein solcher Film braucht. Ganz leicht und doch nicht allzu lapidar webt sie bedrückende Aspekte der DDR-Diktatur ein: Selbst in Wolfs Ensemble sind die Schauspieler vor spitzelnden Kollegen nicht sicher, eigentlich kann niemand niemandem trauen.“

Auszeichnungen

Vorwärts immer! erhielt von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) das Prädikat „wertvoll“. Die Jury begründete das so: „Der Regisseurin gelingt mit Vorwärts immer! ein unterhaltsamer und ansprechender Zugang. Der Film schwankt (...) zwischen Slapstick und satirischer ‚Sophistication‘. Dennoch – so scheint es der Jury – ist Vorwärts immer! geeignet, einem großen Publikum auf amüsante Weise historische Aspekte der niedergehenden DDR-Diktatur und der Wendezeit um 1989 zu vermitteln.“ Außerdem gab es drei Preise.

Auszeichnung

Kategorie

Bayerischer Filmpreis 2016

Bester Darsteller (Jörg Schüttauf)

Bayerischer Filmpreis 2016

Beste Regie (Francis Meletzky)

Deutscher Schauspielpreis 2018

Bester Schauspieler in einer komödiantischen Rolle (Jörg Schüttauf)

Erinnerungsdiskurs

Die finalen Tage der DDR als absurde Verwechslungskomödie – kann das gut gehen? Mit Vorwärts immer! riskiert Francis Meletzky, die friedliche Revolution zum Witz verkommen zu lassen. Doch zum Witz wird die DDR in diesem Film nie. Die Handlung ist zwar absurd und es gibt derben Humor, die Wende-Situation wird aber zugleich mit der nötigen Ernsthaftigkeit dargestellt. Auch die Stasi, die zunächst eher lächerlich wirkt, zeigt ihr gefährliches Gesicht. Meletzky zeigt arrangierte und rebellische DDR-Bürgen und bedient so unterschiedliche Gedächtnistypen. Das sichert Vorwärts immer! einen Platz im Erinnerungsdiskurs.

Empfehlung

Empfehlung des Autors

Mit der Verwechslungskomödie Vorwärts immer! schafft Francis Meletzky einen unterhaltsamen Film. Zwar sitzt nicht jede Pointe, aber dank Jörg Schüttauf schafft es der Film, witzig genug zu sein, um die klischeehafte Dreiecksbeziehung der Nebenhandlung vergessen zu machen.

Empfohlene Zitierweise

Vorwärts immer!. In: Daria Gordeeva, Michael Meyen (Hrsg.): DDR im Film 2024, https://ddr-im-film.de/de/film/vorwaerts-immer