Cosima Kopfinger

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Cosima Kopfinger

Geboren 1995 in München. Von 2016 bis 2021 Studium der Kommunikationswissenschaft sowie der Wirtschaftswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München, begleitet von Werkstudententätigkeiten im PR- und Onlinemarketing-Bereich sowie in der Schlussredaktion der Süddeutschen Zeitung. Im Rahmen des Masterstudiums arbeitete sie von 2020 bis 2021 an diesem Handbuch mit.

Mein DDR-Bild

Die ersten Berührungspunkte mit der DDR verschaffte mir ein Geschichtsseminar in der Kollegstufe, das ich mit der Analyse des Films Good Bye, Lenin! (2003) im Hinblick auf Ostalgie und Identitätssuche im wiedervereinigten Deutschland abschloss. Dieses Projekt sensibilisierte mich dafür, dass die Wahrheit eine Angelegenheit zwischen Fakten, Erinnerung und Fiktionalisierung ist. Mir wurde bewusst, dass (Spiel-)Filme nicht nur Teil unseres kulturellen Gedächtnisses sind, sondern dieses erschaffen und fortwährend prägen. Obgleich mich keinerlei verwandtschaftliche Beziehungen mit der DDR verbinden, ist mir die Wichtigkeit einer differenzierten Betrachtung dieses Abschnitts der deutschen Geschichte bewusst – insbesondere im Hinblick auf gesellschaftliche Risse, die heute noch durch dieses Land verlaufen. Die Arbeit des Forschungsverbundes kann hoffentlich dazu beitragen, die Kultivierung hartnäckiger Stereotype, die Tradierung alter Feindmuster und die überspitzte Darstellung gewisser Aspekte der DDR im Film für die Zuschauer erkennbar zu machen – ohne dabei der filmischen Adaption ihre Interpretationsleistung und künstlerische Gestaltungsfreiheit abzusprechen.

Meine Erfahrung aus der Arbeit am Handbuch

Vor dem Hintergrund medienpolitischer Kontroversen über Legitimität und Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erscheint mir die Betrachtung des in Fernsehproduktionen vermittelten DDR-Bildes besonders wichtig. Schließlich erreichen ARD- und ZDF-Fernsehfilme in der Regel bei ihrer Erstausstrahlung eine breite Masse von im Schnitt fünf Millionen Menschen. Eine zwar eingängige, aber eben auch sehr einseitige Darstellung der DDR als Land mit baufälligen Häusern, tristen Wohnungen, senfgelben Tapeten und resignierten Menschen ist in vielen dieser reichweitenstarken Produktionen zu finden. Über das Offensichtliche hinaus lassen sich in einigen Produktionen narrative Bedeutungsmuster identifizieren, die nach meiner Meinung häufig stereotypen Charakter aufweisen, wo es mehr Differenziertheit bedurft hätte. Der mit Südfrüchten und Freizügigkeit lockende Westen dient beispielsweise als Kontrastfolie zur ostdeutschen Rückständigkeit und Unfreiheit – für die man jede Menge westliches Mitgefühl aufzubringen weiß. Man darf hierbei nicht vergessen, dass der begrenzte zeitliche Rahmen eines Spielfilms Adaption und damit teilweise auch Simplifizierung oftmals notwendig macht.

Dass filmische Adaption aber besonders bei Biopics häufig eine Gratwanderung zwischen Fakten und Fiktion bedeutet, hat mir der Film Hunger auf Leben (2004) gezeigt, in dem die Schriftstellerin Brigitte Reimann an realsozialistischer Desillusionierung zerbricht und dabei von ihrem dritten Ehemann bespitzelt wird. Dass sich dessen Stasi-Tätigkeit in der Realität anders darstellte, blendet der Film zugunsten eines klaren Täter-Opfer-Gegensatzes aus. Dieses Spannungsfeld zwischen Akten und Adaption, in dem ein Leben als Teil des kulturellen Gedächtnisses wird, zeigt sich auch in Die Todesautomatik (2007), einem Film über den ehemaligen DDR-Häftling Michael Brettschneider und dessen Polarisierung gegen die Entspannungspolitik. Auch Walpurgisnacht (2019) thematisiert die „neue Offenheit“ unter Gorbatschow und das gleichzeitige Verharren in alten Feindmustern. Das Drama Es ist nicht vorbei (2011) wiederum greift das Kernthema der grausamen Haftbedingungen in DDR-Justizvollzugsanstalten auf. Das Motiv Flucht – und damit Verrat an der sozialistischen Volksgemeinschaft, für die man Verantwortung trägt –, zieht sich durch fast alle von mir behandelten Filme, prägt aber besonders die Aussteigerkommune auf Hiddensee in Kruso (2018). Traumfabrik (2019) schließlich befindet sich als stilisierte Romanze durch ihren zeithistorischen Kontext in einem Dilemma, weil sie die deutsch-deutsche Trennung nicht – wie vom Feuilleton erwartet – mit gebührendem Ernst behandelt. Die von mir bearbeiteten Filme formen das kulturelle DDR-Gedächtnis alle auf ihre eigene Weise – eingehende Betrachtungen der in ihnen konstruierten ‚Wirklichkeiten‘ finden sich in den Filmporträts.