Der gleiche Himmel
Inhalt
- Kurzinformationen
- Filmdaten
- Kurzbeschreibung
- Schlagworte
- Entstehungskontext
- Beteiligte
- Filminhalt
- Figuren
- Gesellschaftsbild
- Ästhetik und Gestaltung
- Strategien der Authentizitätskonstruktion
- Rezeption
- Reichweite
- Rezensionen
- Auszeichnungen
- Wissenschaftliche Aufarbeitung
- Einordnung in den Erinnerungsdiskurs
-
Empfehlung der Autorin
- Literatur
Entstehungskontext
Beteiligte
Oliver Hirschbiegel, 1957 in Hamburg geboren, Studium an der Hamburger Hochschule für Künste. Zunächst Aufnahmeleiter beim Fernsehen, ab 1991 Serien-Regisseur. Mehrere Filme zum Nationalsozialismus, darunter Der Untergang (2004), Ein ganz gewöhnlicher Jude (2005) und Elser – Er hätte die Welt verändert (2014). Während der Teilung viele Berlin-Reisen. Im ZDF-Presseportal zur Serie sagte Hirschbiegel, er verbinde mit den 1970er Jahren „Verunsicherung“ durch linksradikale Gruppen im Westen und einen „festgefahrenen Stillstand“ wegen der Abgrenzung des Ostens. Dem Südkurvier sagte er, dass er sich bemüht habe, DDR und BRD „weder zu schönen, noch schwarz-weiß zu malen“.
Paula Milne, Jahrgang 1947, Britin. Filmstudium am Royal College of Art, Drehbuchautorin für die BBC. Dort Serie Die Kinder (1990), in der es um die Baader-Meinhof-Gruppe ging. In einem Interview sagte Milne, dass sie die Berliner Mauer stets mit gespaltenen Familien verbinde. Bei der Recherche habe sie überrascht, dass Homosexualität in der DDR früher legalisiert wurde als in der BRD.
Der gleiche Himmel ist eine Produktion von UFA Fiction und Beta Film in Koproduktion mit Mia Film s.r.o. (Prag) und in Zusammenarbeit mit Rainmark Films (London) im Auftrag des ZDF.
Benjamin Benedikt, 1972 in Bochum geboren, Studium der Literaturwissenschaft in Tübingen und Oxford, Theaterstudium in Paris, ab 2004 Produzent bei TeamWorx. Seit 2016 Geschäftsführer der UFA Fiction. Produktionen mit DDR-Bezug: Mord in Ludwigslust (2012), Der Turm (2012) sowie Bornholmer Straße (2014).
Nico Hofmann, 1959 in Heidelberg geboren, Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film (München). Regisseur, später Filmproduzent. 1998 Gründung der UFA Fiction, seit 2017 Geschäftsführer der UFA. Produktionen mit DDR-Bezug: Schulz und Schulz (1989), Schicksalsjahre (2011), Der Turm (2012), Bornholmer Straße (2014), Der Tunnel (2001) und Deutschland 83 (2015).
Sebastian Werninger, seit 2016 Geschäftsführer der UFA Fiction und der UFA Distribution sowie Produzent für UFA Cinema. Filmproduktionen mit DDR-Bezug: Bornholmer Straße (2013), Der Tunnel (2012) und Deutschland 83/86/89 (2015 bis 2020).
Ferdinand Dohna, 1969 in Hamburg geboren. Studium der Archäologie. Script Editor bei Luxvide in Rom. Ab 1999 Produzent bei Kirch Media. Mit Jan Mojito Gründung der EOS Entertainment (2002). Fortan Produzent. 2004 Fusion von EOS Entertainment und Beta Film. In einem Interview zu Der gleiche Himmel sagte Dohna, dass das Berlin der 1970er Jahre „als Schmelztiegel der Popkultur“ „bisher kaum für das Fernsehen fiktional aufbereitet worden“ sei.
Jan Mojito, 1948 in Nitra (Tschechoslowakei) geboren. Studium in Bratislava und München. Master of Business Administration am Institut Européen d’Administration des Affaires (Fontainebleau). Journalist mit den Schwerpunkten Film, Theater und Literatur. Danach im Rechtehandel und in der internationalen Fernsehproduktion. 1980 bis 2001 Programmleiter bei Kirch Media. Mit Ferdinand Dohna Gründung der Produktionsfirma EOS Entertainment 2002. Übernahme von Beta Film 2004. Schwerpunkt historische Filmproduktionen. Filmproduktionen mit DDR-Bezug: Der Tunnel (2001), Das Leben der Anderen (2006), Der Turm (2012) und Werk ohne Autor (2018).
Das Budget betrug 15 Millionen Euro und stammte aus Fördermitteln der UFA und des State Cinematography Fund Czech Republic.
Vom ZDF gibt es eine Website zur Serie. Dort findet man eine Zusammenfassung, eine Beschreibung der Figuren, Interviews sowie eine Zeittafel zur deutsch-deutschen Geschichte. Die UFA Fiction hat einen Trailer auf YouTube veröffentlicht. DVD und Blu-ray bieten Bonusmaterial zu den Dreharbeiten sowie Interviews mit Cast und Produktionsteam.
Filminhalt
Zentrale Figuren
Lars Weber (Tom Schilling) ist 25 Jahre alt. In seiner Ausbildung zum Romeo-Agenten glänzt er als Verführungskünstler. Genau wie sein Vater ist Lars ein sozialistisches Vorzeigebeispiel mit einwandfreiem Lebenslauf. Er ist idealistisch, geradlinig sowie willensstark und sieht in dem Auftrag der Stasi seine Bestimmung. Erst als er eine starke Bindung zu Sabine Cutter aufbaut, stellt er den blinden Gehorsam infrage.
Conrad Weber (Godehard Giese) ist Ende 40 und Lehrer im Osten Berlins. Am Arbeitsplatz verhält er sich unscheinbar, zu Hause ordnet er sich seiner Frau unter. Als seine Tochter in den Schwimmkader für die Olympischen Spiele berufen und fortan zum Doping gezwungen wird, versucht er, Widerstand zu leisten. Außerdem sorgt er sich um seinen Kollegen Axel, der in der Schule für seinen Freigeist gerügt wird. Der politische Druck lässt Conrad an Staat und Regierung zweifeln.
Gita Weber (Anja Kling) ist die Frau von Conrad und etwa gleich alt. In der Ehe ist sie dominant und manipulativ. Klaras Berufung in den Schwimmkader sieht die Mutter als Chance auf Privilegien.
Axel Lang (Hannes Wegener) ist Mitte 30, Physiklehrer und Kollege von Conrad. Im Beruf erlebt er IMs und den Druck, konform zu unterrichten. Seine Homosexualität darf er dort nicht bekennen. In einer Schwulenbar lernt er den Briten Duncan kennen. Durch die Beziehung wächst sein Wunsch, die DDR zu verlassen.
Lauren Faber (Sofia Helin) ist die erste Zielperson von Lars, etwa 40 und alleinstehende Mutter. Sie arbeitet für den britischen Geheimdienst am Spionagestützpunkt Teufelsberg. Lauren leidet unter der Ablehnung ihres Sohnes, der Drogen konsumiert, in Verbindung mit der RAF steht, rebellisch und aggressiv ist. Neben ihrer Arbeit scheint Lauren nur eine Freundschaft zu pflegen: die zu ihrer jüngeren Kollegin Sabine Cutter.
Sabine Cutter (Friederike Becht) arbeitet in der Abhörstation des US-Geheimdienstes NSA, der am Teufelsberg mit der britischen Spionage-Einheit zusammenarbeitet. Sabine ist 25 und lebt zu Hause mit Mutter und Stiefvater, NSA-Offizier vom Teufelsberg. Diese Konstellation macht es Lars hier leichter als bei Lauren.
Politische Institutionen
Staatssicherheit, Spionagestützpunkt Teufelsberg, Gefängnis Hohenschönhausen, der Grenzübergang und die Sicherheitskontrollen sind prägende Elemente der Serie. Auch der Tunnel im Keller einer Bäckerei, den eine oppositionelle Gruppe baut, und die Schwulenbar als Treffpunkt von Duncan und Axel sind wiederkehrende Orte der Handlung.
Gesellschaftsbild
Der gleiche Himmel erzählt die deutsch-deutsche Geschichte in den 1970er Jahren am Beispiel Berlins. Auf beiden Seiten wird Spionage betrieben – und auf beiden Seiten gibt es zerrissene Familien. Auch der Alltag ist hier wie dort politisch aufgeladen. In der DDR scheint die Stasi allgegenwärtig, das Leben der Menschen ist von staatlicher Kontrolle und repressiven Maßnahmen geprägt sowie nach Westen ausgerichtet. Man sieht fern via Satellit und wünscht sich Waren von drüben. West-Berlin wirkt dagegen modern und individualistisch, auch hier werden Brandt, Nixon oder andere politische Themen im privaten Umfeld diskutiert. Die Serie zeigt Kino- und Theaterbesuche im Westen, die alternative Kunst- und Musikszene sowie Jugend- und Populärkultur. In der DDR blickt sie dagegen neben den staatlichen Institutionen stärker auf die Familie und die Suche nach Zugehörigkeit und festen Bindungen. Dort ist auch der Kollektivgeist größer, egal ob im Mannschaftssport oder bei den Jungen Pionieren.
Ästhetik und Gestaltung
Die Serie erzeugt ein stereotypes Bild von Ost- und West-Berlin mit starken Kontrasten. Während der Westen weiß, modern und bunt ist, wird der Osten pergamentartig und mit Orange-Tönen als alt und schäbig dargestellt. Die Gegensätze sind eindeutig: Konsumkapitalismus (Werbung, Theater, Cafés, öffentlicher Verkehr, alternative Szene) versus Staatsgebäude, Stasi-Einrichtungen und triste Straßenbilder mit Mauer, Grenzstreifen sowie sozialistischen Symbolen und Parolen.
Authentizität
Strategien der Authentizitätskonstruktion
Für eine hohe Authentizität in der Serie sorgen zum einen aufwendige Requisiten: Alltagsgegenstände haben in Ost und West einen hohen Wiedererkennungswert. Die des Westens sind technisiert und im US-Design, auch die Mode und der Zeitschriftenmarkt entsprechen der westlichen Konsumkultur. Im Osten sorgen Einrichtungsgegenstände und zeitgemäß historische Lebensmittelverpackungen für eine hohe Authentizität. Auch die Infrastruktur ist realitätsgetreu abgebildet: Straßen und Laternen, Fahrräder und Roller entsprechen dem DDR-Design. Das Fahrzeug des Protagonisten Lars Weber in West-Berlin ist ein heller, farbenfroher NSU RO 80.
Für Authentizität sorgen zum anderen das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen sowie Pionierrituale. Zentrale politische Ereignisse werden als Dokumentarschnipsel eingeblendet. Dazu gehören die Rücktritte von Willy Brandt und Richard Nixon, die RAF und das Fußball-WM-Spiel zwischen der BRD und der DDR von 1974. Dazu kommt zeitgenössische Musik: Cello von Udo Lindenberg (1973), I’m a train von Albert Hammonds (1974), Spiel zu zweit von den Puhdys (1974) oder Die letzte Schlacht gewinnen wir von Ton Steine Scherben (1972).
Für das Drehbuch standen Paula Milne zwei Berater zur Seite: Jens Giesecke (Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam) und René Wiese (Zentrum für deutsche Sportgeschichte). Die UFA Fiction veröffentlichte 2017 auf YouTube ein Zeitzeugeninterview mit einem Romeo-Agenten. Schauspieler Tom Schilling, 1982 im Osten Berlins geboren, teilt in einem Interview seine Erinnerungen an die DDR.
Rezeption
Reichweite
Nachdem die Serie Der gleiche Himmel am 17. Oktober 2016 auf der Fernsehmesse in Cannes (Mipcom) und am 16. Februar 2017 auf den Internationalen Filmfestspielen in Berlin (Berlinale) ihre Erstaufführung hatte, wurde sie vom 27. bis 30. März 2017 im ZDF als Dreiteiler ausgestrahlt (Marktanteile zwischen 13 und 15 Prozent, mehr als vier Millionen Zuschauer) und anschließend in mehr als 100 Länder verkauft, unter anderem an die Fernsehsender Rai (Italien), France 3 (Frankreich), VRT (Belgien), RUV (Island), SVT (Schweden), DR (Dänemark), NRK (Norwegen), YLE (Finnland). Weitere Veröffentlichungskanäle sind die Streaming-Plattformen Netflix und Amazon Prime. Die Serie gibt es auch als DVD und Blu-ray.
Rezensionen
Oliver Jungen (Frankfurter Allgemeine Zeitung) und Cornelius Pollmer (Süddeutsche Zeitung) stimmen darüber überein, dass sich DDR-Erzählungen über große Themen gut verkaufen lassen. Auch Carolin Ströbele (Die Zeit) und Frank Junghänel (Berliner Zeitung) finden die Vielzahl an Themen atmosphärisch und inhaltlich vielversprechend. Dennoch: Dieses Potential komme in Der gleiche Himmel nicht zum Tragen. Das Drehbuch sei „holzschnittartig“, so Pollmer, und gar „unzulänglich“, meint Martin Wolf (Der Spiegel). Anstelle eines differenzierten Bildes der DDR liefere der Film wieder eine „doofe Revue über den grausamen wie letztlich unfähigen Unrechtsstaat-DDR“ (Pollmer). „Nichts als Plattitüden“, sagt Jungen und „kolportagehafte Geschichten“ Rainer Gansera (FILMDIENST). Auch Junghänel kritisiert die „plakative Bebilderung der DDR“.
„Der geschichtliche Kontext erstickt im Gefühligen“, so Ströbele. Das „Gesellschaftspanorama“ der Serie habe die „Reflexionstiefe einer Regenpfütze“ und verhindere „den Blick auf den Grund jeglicher Geschichte“, äußert Junghänel. „Was man für eine Mario-Barth-Show in Kostümen halten könnte, vielleicht noch für eine Karikatur des Frauenbilds der siebziger Jahre, das ist tatsächlich die narrative Basis dieser deutsch-deutschen Agentenserie“ (Jungen). Ähnlich sah das Nikolaus von Festenberg im Berliner Tagesspiegel: Die Serie sei „märchenhaft und grenze in ihrer Logik der Sex-Spionage schon beinah an Satire.“
Kostüme, Requisiten und Kulissen sind in den Rezensionen umstritten. Während Wolf und Ströbele loben, wirken sie auf Diemut Roether (epd Film) überladen und unproportional: „Diese Produktion will von allem zu viel und erzählt alles überdeutlich, das schlägt sich auch in der Ausstattung nieder: die taillierten Hemden der Männer, ihre Koteletten und Schnurrbärte erinnern an Kataloge der 70er Jahre. Die viel zu schicke Wohnung, in die Lars Weber im Westen zieht, sieht aus, als hätte die Redaktion von Schöner Wohnen sie damals eingerichtet.“ Junghänel ist derselben Meinung. Er beschreibt die Serie als eine „mit inszenatorischen Versatzstücken aus dem Arsenal des Kalten Krieges vollgestopfte Miniserie“.
Auszeichnungen
Tom Schilling wurde als bester Schauspieler mit dem Deutschen Regiepreis Metropolis 2017 und dem Deutschen Fernsehpreis 2018 gekürt. Einen Preis der Deutschen Akademie für Fernsehen (DAFF) 2017 erhielten für visual Effects (VFX) und Animation Jan Adamszyk und Denis Behnke sowie Tomáš Bělohradský, Thomas Neumann und Gregor Bonse für die Tongestaltung.
Wissenschaftliche Aufarbeitung
In der Wissenschaft beschäftigen sich folgende Publikationen mit der Serie: Jakub Gortat (2018) analysiert die Täter-Opfer-Beziehung in den UFA-Fernsehfilmen zur DDR und stellt fest, dass die Serie Der gleiche Himmel sehr stark das Leiden unter dem DDR-Regime veranschaulicht, dabei jedoch nicht schwarz-weiß oder eindimensional ist. Die Serie habe das Verdienst, dass gewöhnliche Menschen eine Täterrolle einnehmen und so das Interesse für die deutsch-deutsche Geschichte wecken. Florian Krauß (2020) analysiert primär Deutschland 83 (2015) und verweist lediglich auf die inhaltlich ähnliche Serie Der gleiche Himmel.
Erinnerungsdiskurs
Die Serie Der gleiche Himmel ist ein Spionagethriller, der die DDR als einen Überwachungsstaat zeigt, der vor keiner Grenze Halt macht – weder vor der Familie noch vor der Mauer. Der Kontrast zwischen Ost und West sowie Grenzzäune und Stasi-Einrichtungen als zentrale Ostmotive machen deutlich, dass hier das Diktaturgedächtnis dominiert.
Literatur
Jakub Gortat: Deutsche Opfer des Kalten Krieges und des DDR-Regimes auf dem kleinen Bildschirm. Analyse der neuesten Erzähltrends in den Filmen der UFA Fiction. In: Oxford German Studies 47. Jg. (2018), S. 505-522
Florian Krauß: Teen und Quality TV: Deutschland 83 und Transformationen der deutschen Fernsehserie. In: Florian Krauß & Moritz Stock (Hrsg.): Teen TV: Repräsentationen, Lesarten und Produktionsweisen aktueller Jugendserien. Wiesbaden: Springer VS 2020, S. 163-184
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