
NVA
Entstehungskontext

Leander Haußmann am Filmset
Regisseur Leander Haußmann, Jahrgang 1959, arbeitete beim Drehbuch von NVA mit dem Schriftsteller Thomas Brussig zusammen, dessen Roman Am kürzeren Ende der Sonnenallee er bereits 1999 erfolgreich verfilmt hatte (Sonnenallee). Das Trio aus Haußmann und den Produzenten Claus Boje und Detlef Buck (Boje Buck GmbH) hatte auch bei anderen Projekten wie Herr Lehmann (2003) und Sonnenallee (1999) zusammengearbeitet und kannte sich bereits aus Detlef Bucks Film Männerpension (1996). Auch nach NVA arbeiteten sie weiterhin häufig zusammen.
Haußmann, Sohn des Schauspielers Ezard Haußmann (1935-2010), wuchs in der DDR auf, leistete 1980 seinen Wehrdienst in der Volksmarine der DDR ab und studierte anschließend an der Schauspielschule Ernst Busch in Berlin. Sein Vater wurde nach einem Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 mit einem Berufsverbot belegt und von der Stasi überwacht. Auch über Leander Haußmann soll es eine Stasi-Akte geben.
Beteiligte
Der Film wurde mit insgesamt 1.050.000 Euro gefördert.
Filmförderungsanstalt (FFA) | 500.000 Euro |
FilmFernsehFonds Bayern (FFF Bayern) | 100.000 Euro |
Mitteldeutsche Medienförderung | 450.000 Euro |

Das Kinoplakat von NVA unterstreicht die Verbindung zu Haußmanns früherem Werk Sonnenallee, indem es mit dem Slogan „Von der Sonnenallee in die Volksarmee“ eine direkte Brücke zwischen den beiden Filmen schlägt.
Filminhalt
Handlung

Ende der 80er Jahre wird der junge Henrik Heidler zum Wehrdienst in der NVA eingezogen. Zusammen mit dem aufmüpfigen Krüger, dem opportunistischen Militärfan Stadlmair und anderen jungen Männern seines Jahrgangs tritt er seinen Dienst in der „Fidel-Castro-Kaserne“ an. Henrik und seine Stubenkameraden versuchen, den sinnlosen Militäralltag und die Schikanen der inkompetenten Offiziere, des hinterhältigen Ausbilders Aurich (Maxim Mehmet) und der sogenannten Entlassungskandidaten zu überstehen. Gleichzeitig verleibt sich Henrik Gefühle in die Krankenschwester Marie, die Tochter des Standortkommandanten und Vollblut-Soldaten Oberst Kalt.
Noch vor Ende der Dienstzeit bricht die Friedliche Revolution aus. Aufgrund einer Informationssperre erfahren Henrik und seine Kameraden jedoch nichts davon. Zeitgleich verweigern Henrik, der inzwischen mit Marie zusammen ist, Krüger und die anderen beim Appell den Gehorsam und verlassen die Kaserne. Die Offiziere resignieren. Die Handlung bildet dabei eher einen lockeren Rahmen, in dem anekdotenhafte Gags im Vordergrund stehen.
Zentrale Figuren

Henrik Heidler (Kim Frank) ist sensibel und verträumt, ein junger Mann, der mit dem Kopf immer woanders ist. Er scheint das komplette Gegenteil von allem Militärischen zu verkörpern – so versucht er zum Beispiel, sich Urlaub zu nehmen, und muss dann erfahren, dass Urlaub in der NVA natürlich befohlen wird. Trotz seiner Zweifel gegenüber der NVA zeigt Henrik viel Empathie für seine Kameraden und ist stets bereit, ihnen zu helfen, wo er kann. Für seine neue Liebe Marie geht er sogar Risiken ein. Am Ende gelingt es ihm, sich von der strengen Disziplin der NVA zu befreien und die Kaserne zu verlassen.

Krüger (Oliver Bröcker) ist ein echter Draufgänger, der keinerlei Respekt vor Hierarchien und Regeln hat. Wo immer er kann, versucht er, Vorschriften zu umgehen, die ihm im Weg stehen. Als er sich jedoch mit einer simulierten Verletzung aus dem Dienst herausmogelt und später enttarnt wird, wird er ins Militärgefängnis nach Schwedt/Oder versetzt, wo er in einer Disziplinareinheit Dienst leisten muss. Gebrochen kehrt er zurück, doch am Ende des Films findet et seine rebellische Natur wieder.

Marie (Jasmin Schwiers) ist Krankenschwester im örtlichen Krankenhaus und verliebt sich in Henrik, als sie ihn am Frauentag aus einem Fluss rettet, in dem er hilflos mit seinem ABC-Anzug umhertreibt. Sie ist die Tochter von Oberst Kalt. Im Film bleibt Marie, wie auch die anderen Frauen, wenig konturiert. Ihre Gespräche drehen sich hauptsächlich um Männer, und ansonsten erscheinen sie eher in der Rolle der (potentiellen) Partnerinnen oder sorgenden Mütter der männlichen Charaktere.
Die Offiziere der Kaserne sind allesamt überzeugte Soldaten und treue Stützen des Systems, die jedoch auch ihre eigenen Geheimnisse verbergen. Oberst Kalt (Detlef Buck), der Standortkommandeur, pflegt eine zweite große Leidenschaft – seinen Garten, den er mit pedantischer Sorgfalt hegt. Er steht für eine harte Linie gegenüber jeglichen Versuchen von Individualismus und vorschriftswidrigem Verhalten. So wie er das Unkraut in seinem Garten bekämpft, möchte er auch alle Disziplinlosigkeiten in der Kaserne unterdrücken. Doch wie seine inkompetenten Kollegen übersieht auch er viele Vergehen der einfachen Soldaten. Es scheint, als glaube er ebenso wie die anderen Offiziere noch immer an den Sozialismus. Als am Ende des Films die NVA nicht gegen die Friedliche Revolution eingesetzt wird und die Wehrpflichtigen die Kaserne verlassen, zieht er das Resümee: „Wir haben es vermasselt.“

Die anderen Wehrpflichtigen um Henrik treten nur am Rande auf, doch jeder von ihnen hat spezifische Eigenheiten und Probleme. Traubewein (Robert Gwisdek) leidet unter einer Stahlhelmallergie und träumt davon, Priester zu werden. Mischke (Daniel Zillmann) wird von seiner Freundin betrogen, und Stadlmair (Philippe Graber) bevorzugt Badewannen gegenüber Duschen. Die wohl wichtigste Unterscheidung unter den Wehrpflichtigen betrifft jedoch die informelle hierarchische Gliederung: die „Sprutzen“ im ersten Diensthalbjahr, die „Vizes“ im zweiten und schließlich die tonangebenden „EKs“ (Entlassungskandidaten) am Ende des Wehrdienstes – eine Struktur, die auch in der Realität existierte. Die EKs waren bekannt für die Verwendung umfunktionierter 1,50m Maßbänder, bei denen jeder Zentimeter einen der letzten 150 Diensttage symbolisierte und am Ende eines jeden Tages ein Stück abgeschnitten wurde. Diese Hierarchie war zudem mit Ritualen und Schikanen verbunden, die die EKs gegenüber den neuen Wehrpflichtigen ausübten, von denen einige – wie die „Musikbox“ und die „Schildkröte“ – auch im Film zu sehen sind. Die EKs wirken im Film abgestumpft und leicht dümmlich, zeigen aber auch eine menschliche Seite, etwa als sie mit Krüger Mitleid haben, der nach Schwedt/Oder strafversetzt wird. Durch den Kunstgriff, dass Henrik und die anderen ihren Wehrdienst dank der friedlichen Revolution 1989 vorzeitig beenden, wird die Frage umgangen, wie sie möglicherweise selbst zu Unterdrückern der neuen „Sprutzen“ geworden wären.
Gesellschaftsbild

Auffallend ist die klare Trennung zwischen dem Staat auf der einen Seite und den vermeintlich normalen, unpolitischen Menschen auf der anderen, die nichts mit dem System zu tun haben. In der Gruppe der Wehrpflichtigen findet sich niemand, der seinen Dienst aus Überzeugung leistet, sich mit der DDR identifiziert oder den Sozialismus verteidigt. Alle dienen wider Willen. Die Massenorganisationen wie die Pioniere, die FDJ, die SED oder der FDGB, die Jugendliche in der DDR früh mit dem Staat in Kontakt brachten, tauchen nur am Rande auf, obwohl viele der Wehrpflichtigen beispielsweise Mitglied in der FDJ waren.

Der Wehrdienst im Film steht für eine unfreiwillige Anpassung an die Lebensbedingungen in der Diktatur. Auch Ende der 1980er Jahre gab es keinen zivilen Ersatzdienst, aber mit den Bausoldaten eine Möglichkeit, den Dienst an der Waffe zu umgehen. Diese Art der Verweigerung war jedoch mit beruflichen Konsequenzen und Schikanen verbunden und wurde nur von wenigen gewählt. Wer etwa studieren wollte, musste den Wehrdienst leisten – am besten gleich drei Jahre. Regisseur Leander Haußmann selbst leistete seinen Wehrdienst in der Volksmarine ab, um später an der renommierten Schauspielschule Ernst Busch studieren zu können. Haußmann und die Wehrpflichtigen im Film repräsentieren die Menschen in der DDR, die auf verschiedene Weise die begrenzten Karriere- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten in einem System nutzen mussten, das nur begrenzte Spielräume zuließ. Sie mussten sich mehr oder weniger mit der Diktatur arrangieren.

Der Film lässt jedoch offen, aus welchen gesellschaftlichen Milieus die einzelnen Charaktere kommen. Er fokussiert sich ganz auf die Zeit bei der NVA und lässt daher unklar, welche Interessen und Bedürfnisse die einzelnen Figuren hatten und wo sie vor und nach dem Wehrdienst in der DDR-Gesellschaft standen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass die Wehrpflichtigen entweder unpolitisch sind oder sogar in Opposition zum Staat stehen. Dies wird besonders in der letzten Szene des Films deutlich, als die Wehrpflichtigen den Gehorsam verweigern und Henrik aus dem Off sagt, dass „das Land, das man uns gezwungen hatte zu lieben, plötzlich aufgehört hatte zu existieren.“

Die einzige Gruppe, die sich mit dem Staat identifiziert, sind die inkompetenten und ungewollt tollpatschigen Offiziere. Indem sie stellvertretend für den Sozialismus und die DDR stehen, erscheint die DDR als ein tragischer Unfall der Geschichte, den die Bevölkerung erdulden musste, bis sie endlich frei war. Der Offizier, der für die Munitions- und Waffenausgabe zuständig ist und überschüssige Munition (sogenannte Rückläufer) heimlich vergräbt, um eine ausgeglichene Buchhaltung zu gewährleisten, kann als Parabel auf das kollabierende Wirtschaftssystem der DDR zum Ende hin gesehen werden. Selbst einige der Offiziere, so suggeriert es der Film, werden durch das System und die Institution Militär in ihrer persönlichen Entfaltung eingeschränkt. Zwei Offiziere sind beispielsweise homosexuell und treffen sich heimlich auf dem Kasernengelände. Auch wenn viele historisch verbürgte Schikanen verharmlosend dargestellt werden, übt der Film damit auch eine subtile Kritik an der Institution Militär an sich.
Ästhetik und Gestaltung
Viele der Gags in NVA sind bereits aus anderen Militärkomödien bekannt. Das ständige Umgehen von Regeln und die Dichotomie zwischen unpolitischen, flegelhaften Soldaten und überkorrekten Offizieren erinnert an die apologetischen Wehrmachtskomödien der 1950er Jahre, besonders die Filmreihe 08/15 (ab 1954). NVA greift häufig auf ikonische Bildrepertoires des Militärlebens zurück, wie das kollektive Haareschneiden, die Kontrolle von gemachten Betten und Spinden, die Parkour-Hindernisbahn und sogar Heidlers Rezitieren des „Warrior’s Creed“ des US Marine Corps – alles bekannt aus Stanley Kubricks Full Metal Jacket (1987). Besonders für Zivilisten unverständliche Bräuche, Regeln und Gepflogenheiten werden so humorvoll aufs Korn genommen. Insgesamt entsteht ein Bild der NVA als einer typischen Armee, die Menschen diszipliniert, umformt und in paradoxe Regelwerke einspannt.

Bemerkenswert sind auch die traumwandlerischen Sequenzen und surrealen Szenen, etwa wenn Henrik nach einer Ohnmacht aufwacht und in einem goldenen Schimmer Maries Gesicht erblickt. Diese Stilmittel, zusammen mit dem anekdotischen Erzählstil, sind auch schon in Haußmanns früherem Film Sonnenallee (1999) zu finden. Eine weitere Parallele zwischen den beiden Filmen zeigt sich im surrealen Ende: In NVA verlassen die Wehrpflichtigen den Kasernenhof, während in Sonnenallee die Bewohner der Straße zum Song „Give Me a Ticket for an Aeroplane“ in Richtung Grenzanlage tanzen.
Authentizität
Strategien der Authentizitätskonstruktion
Ein bedeutendes Element der Authentizitätskonstruktion im Film ist der Einsatz des Soundtracks. Bis auf den Song „Gänselieschen“ der Klaus Renft Combo und „Sag mir, wo du stehst“ der FDJ-Singebewegung, wählte Haußmann fast ausschließlich westliche Popmusik der 1970er Jahre, darunter bekannte Songs wie „Bad Moon Rising“ von Creedence Clearwater Revival, der im Kinotrailer und im Film vorkommt. Im historischen NVA-Kontext wurde eine Strophe des Liedes auf Deutsch umgedichtet: „Abschied von Sex und geilen Weibern, Abschied von Schnaps und LSD, Abschied von allem, was wir lieben, Scheiße wir müssen zur Armee“. Dieser Song ist vielen ehemaligen Wehrpflichtigen daher gut bekannt. Weitere Interpreten auf dem Soundtrack sind Ten Years After, Emerson, Lake & Palmer und Cat Stevens. Der Soundtrack, der auch als CD erschien und vom Regisseur als „Soundtrack seines Lebens“ bezeichnet wurde, trägt somit nicht nur zur Atmosphäre des Films bei, sondern verstärkt auch die persönliche Verbindung des Regisseurs zum Thema. In diesem Kontext wird auch Haußmanns Rekrutenausweis, der im Abspann des Films zu sehen ist, als weiteres Element der Authentizitätskonstruktion genutzt, um seine eigene Wehrdienstzeit in die filmische Erzählung einzubetten.
Rezeption
Rezensionen
Der Film konnte nicht an den Erfolg von Sonnenallee anknüpfen, war jedoch relativ erfolgreich. Mit 786.697 Zuschauer*innen belegte er 2005 laut Insidekino.de Platz 46 der deutschen Kinocharts, das Einspielergebnis betrug 4.716.727 Euro. 2006 wurde der Film jedoch mit dem Video Champion-Preis (ehemals DVD Champion) in der Kategorie Deutscher Film ausgezeichnet, was auf gute Verkaufszahlen auf dem DVD-Markt hindeutet. Auf dem Internetportal IMDb erhält der Film mit 5,6/10 und über 1.600 Bewertungen jedoch eine eher mittelmäßige Bewertung.
Die Kritiken in den Printmedien fielen überwiegend negativ aus. Viele Kritiker*innen maßen den Film an Sonnenallee und kritisierten vor allem, dass er nicht weit genug in seiner Satire gehe, die Handlung zu seicht sei und der Film den Drill und die Schikanen in der NVA verharmlosen würde.
Günther Schabowski, ehemaliges ZK-Mitglied der SED, lobte im Spiegel zwar die Arbeit von Haußmann und Brussig an Sonnenallee und dem Roman Helden wie wir, die seiner Meinung nach „poetisch und authentisch“ „den sozialistischen Alltag aufgespießt“ und „unsere Betretenheiten“ weggeblasen hätten. Doch kritisierte er, dass viele der Gags in NVA an westdeutsche Kasernenkomödien erinnerten und der Film die Kaserne als von der Realität abgekoppelte Exklave darstelle. Er wies darauf hin, dass die SED-Führung ernsthaft erwogen habe, die NVA, „nach der Stasi der gefährlichste Teil der Macht“, gegen die Demonstrant*innen einzusetzen: „Ich weiß nicht, wie man die latente Drohung, die auf diesen Wochen und Monaten lastete, in einem solchen Film hätte durchscheinen lassen können.“
In der TAZ schrieb Jochen Schmidt (selbst ehemaliger Wehrdienstleistender in der NVA): „Es grüßt die Militärklamotte“. Die Entscheidung, eine Komödie daraus zu machen, sei aus seiner Sicht nicht das Hauptproblem – „Warum nicht? Jeder, der dabei war, weiß, dass es viel zu lachen gab.“ Dennoch bemängelte er, dass der Film nicht weit genug gehe, und zog einen Vergleich zu Militärkomödien über Zeit des Zweiten Weltkriegs: „[W]ie traurig sähe es um die (west)deutsche Filmgeschichte aus, wenn es zum 2. Weltkrieg nur Militärklamotten wie „08/15“ gäbe mit ihrer widerlichen Lausbubenmentalität – und nicht Bernhard Wickis „Die Brücke“?“ Trotzdem lobte er Haußmann für seinen Versuch, die NVA als „einschneidende Erfahrung, die auch Teil der DDR-Identität“ sei, filmisch zu thematisieren.
Im Freitag hinterfragte Matthias Dell, ob sich die NVA überhaupt als Filmthema eigne. Er kritisierte den Film für seine schlechten Kasernenwitze und fehlende Handlung und betonte, dass NVA nichts mit Sonnenallee gemein habe: „Haußmann fällt bei NVA in das Grab, das er sich mit Sonnenallee selbst geschaufelt hat. War das Wohltuende und Überraschende an Sonnenallee, dass der Film mit Humor ein Thema befreite, das bis dato im Schwitzkasten biederen Ernstes feststeckte, kann man an NVA sehen, was [...] mit Ironie geschieht, die keinen Widerpart mehr hat.“ Laut Dell verweise der Rekrutenausweis von Haußmann im Abspann „eitel auf den Privatismus dieses Erinnerungsprojekts“
Christiane Peitz schrieb im Berliner Tagesspiegel, dass NVA die DDR „endgültig zum Märchen“ mache. Die Verklärung der DDR sei inzwischen ein eigenes Kino-Genre: „Seine Kennzeichen: ironisierter Märchenton, verschmitzte Off-Erzählerstimme, mildes Licht und Helden wie wir“. NVA folge der Dramaturgie einer Nummernrevue: „hier ein Pennäler-Streich, dort Politpalaver und Kasernensprech oder wahlweise Schlager-Kitsch [...]“.
Peter Körte von der FAZ verknüpfte den Film mit der letzten Welle der DDR-Verabschiedung im Geschichtsfernsehen. Der Film selbst bleibe farblos: „Natürlich war die NVA alles andere als lustig – was ja ein guter Grund wäre, sich über sie lustig zu machen“, aber „noch schlimmer als eine Militärklamotte ist eine Militärklamotte, die sich immer wieder dafür schämt, eine zu sein.“ NVA betreibe wie auch Good Bye, Lenin! und Sonnenallee „die Umwandlung der DDR in einen kuriosen Themenpark“.
Auszeichnungen
Der Film wurde 2006 mit dem Deutschen Kamerapreis in der Kategorie Schnitt Kinospielfilm an Hansjörg Weißbrich ausgezeichnet.
Erinnerungsdiskurs
Mit Sonnenallee setzte Leander Haußmann den Auftakt für eine neue filmische Thematisierung des DDR-Alltags, die sich vom bis dahin dominanten Fokus auf Mauer, Stasi und Repression löste. Der Film brachte erstmals die alltäglichen Erfahrungen von Heranwachsenden in der DDR humorvoll auf die Leinwand und eröffnete damit Anfang der 2000er Jahre eine neue Phase im öffentlichen DDR-Diskurs. Gemeinsam mit dem Erfolg von Good Bye, Lenin! (2003) und einer Ostalgie-Welle, die vor allem in jenem Jahr in Form von DDR-Shows durch das private und öffentlich-rechtliche Fernsehen rollte, sowie der kommerziellen Wiederbelebung ostdeutscher Alltagsgegenstände und -symbole wie dem Ampelmännchen, erweiterte sich der Raum des Sagbaren: Erinnerungen an einen vermeintlich unpolitischen, „normalen“ DDR-Alltag abseits des diktatorischen DDR-Regimes fanden vermehrt Eingang in das kulturelle Gedächtnis, wenn auch nicht ohne Kritik.
NVA erschien unmittelbar nach dieser Welle und suchte einerseits Anschluss an den lukrativen Ostalgie-Markt, stellte andererseits jedoch auch eine Erweiterung des Erinnerungshorizonts dar. Zwar wurden gängige Erinnerungskonventionen in Bezug auf die DDR als Diktatur bedient – etwa die Darstellung der DDR-Bevölkerung als unpolitisch oder oppositionell, in jedem Fall jedoch nicht staatstragend, sowie das Bild der DDR und des sozialistischen Projekts als von vornherein zum Scheitern verurteiltes, der Bevölkerung aufgezwungenes Unternehmen. Doch durch die komödiantische Darstellung der NVA rückte der Film eine kollektive Erfahrung ins Zentrum, die für viele ostdeutsche Männer vor 1989 prägend war. Er eröffnete einen Möglichkeitsraum, sich an den Wehrdienst in der DDR zu erinnern – jenseits binärer Kategorien wie Täterschaft und Opfersein oder Staat und Opposition. Dass Kritiker insbesondere die Verharmlosung der NVA als Herrschaftsstütze der SED bemängelten, verweist auf den Konventionsbruch, den der Film trotz allem im dominanten DDR-Diskurs vollzog.
Haußmanns DDR-Filme lassen sich so als bewusste Grenzüberschreitungen innerhalb der deutschen Erinnerungskultur lesen. Mit seiner Stasikomödie (2022) setzte er diesen Kurs fort: „Ich finde, dass man nach 30 Jahren endlich über die Stasi lachen darf.“ (DIE ZEIT) Von Sonnenallee über NVA bis zur Stasikomödie zieht sich eine Linie, die den DDR-Diskurs um neue, humorvoll gebrochene Perspektiven erweitert und gezielt den Raum des Sag- und Erinnerbaren erweitert.
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