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CP Film/Volker Roloff

Boxhagener Platz

Kurzinformationen

Filmdaten

Titel
Boxhagener Platz
Erscheinungsjahr
2010
Produktionsland
Originalsprachen
Länge
98 Minuten

Kurzbeschreibung

Berlin-Friedrichshain 1968: Fünf Ehemänner von Oma Otti liegen bereits auf dem Friedhof, der sechste hält auch nicht mehr lange durch und einige Verehrer stehen schon Schlange. Oma Otti verliebt sich in einen von ihnen, doch dann geschieht ein Mord. Enkel Holger geht der Sache auf den Grund und sucht den Täter, wobei er auf so manches Geheimnis stößt.

Schlagworte

Zeit
Schauplatz

Entstehungskontext

Beteiligte

Regie

Regisseur Matti Geschonneck wurde 1952 als Sohn des erfolgreichen DDR-Schauspielers Erwin Geschonneck in Potsdam geboren, studiere Regie in Moskau und verließ die DDR 1978. Boxhagener Platz hat er als „Berliner Heimatfilm“ beschrieben. In einem Interview sagte er, er verbinde viele Erinnerungen mit diesem Ort. „Wenn ich an den Boxhagener Platz denke, wo ich einen Teil meiner Kindheit verbrachte, denke ich an meine Heimat.“ Deshalb schwinge „eine melancholische Komponente mit“. In Boxhagener Platz gehe es um „die Lust, die Liebe und die Kraft, der Diktatur mit Humor zu trotzen und sie zu überleben“. Matti Geschonneck erinnert sich an die Zeit, als die Mauer noch nicht stand und er zu Fuß über die Grenze laufen konnte. Westberlin sei für ihn damals ein „Traumland“ gewesen, eine bunte Welt mit anderen Gerüchen, die er sich nicht erklären konnte. Boxhagener Platz war sein zweiter DDR-Film nach Die Nachrichten (2005). Es folgten In Zeiten des abnehmenden Lichts (2017) über die letzten Monate der DDR und Unterleuten – Das zerrissene Dorf (2020) über die Nachwendezeit.

Drehbuch

Das Drehbuch stammt vom Schriftsteller Torsten Schulz, der 1959 in Berlin geboren wurde und Dramaturg im DEFA-Spielfilmstudio war. Schulz hat mit den ostdeutschen Regisseuren Andreas Dresen, Andreas Kleinert und Peter Vogel zusammengearbeitet und die Drehbücher für die Filme Raus aus der Haut (1997) und Einfach raus (1999) geschrieben. Bekannt wurde er durch seinen Debütroman Boxhagener Platz von 2004. Torsten Schulz ist dort wie Geschonneck aufgewachsen (Die Welt) und sieht den Platz als „Zentrum seiner Kindheit“, an dem er sich „behütet und frei zugleich fühlte“ (Der Tagesspiegel). Er „war heilfroh, als die Mauer fiel“, aber dennoch auch melancholisch über den verschwundenen Mikrokosmos seiner Kindheit (Die Welt). Bei Boxhagener Platz gehe es ihm „nicht um die DDR und auch nicht um Ost und West“, sondern „um die kleine Welt, in die die große hineinragt, und um das Miteinander“ (Die Welt). Das Geschehen ist fiktiv, aber Schulz hat Elemente seiner Kindheit einfließen lassen (Der Tagesspiegel). Inspiration zur Geschichte fand er beispielsweise bei seiner Oma, die selbst oft verheiratet war und sich auf dem Friedhof ebenfalls nach Männern umsah (SPIELFILM). Für Torsten Schulz habe ein Film wie Boxhagener Platz nach DDR-Komödien wie Sonnenallee (1999), Good Bye, Lenin! (2003) oder NVA (2005) noch gefehlt, auch wenn dieses Genre ausgereizt schien (FOCUS Online).

Vorlage

Boxhagener Platz ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Torsten Schulz aus dem Jahr 2004. Der Autor sagte, dass „die filmische Anmutung des Romans […] genau genommen eine Täuschung“ sei, „denn sein Hauptwirkungselement ist die ironisch-melancholische Betrachtung der Vorgänge durch den inzwischen erwachsenen Erzähler, der sich mit seiner Betrachtung dem zwölfjährigen Jungen nähert, der er einmal war“ (Pandora Film Verleih). Boxhagener Platz sei eine „ungeheuer komische Ost-Burleske“ sowie ein „saftiges Sippengemälde“ (Die Welt), das die DDR nicht zum Kasperletheater mache (Die Tageszeitung). Es entstehe ein authentischer Mikrokosmos und ein angenehm melancholischer, traurig humorvoller Bericht über die damalige Zeit, befand Karsten Krampitz vom Neuen Deutschland. Von vielen Seiten wird gelobt, dass es nicht um Ostalgie geht (kino.de, filmreporter.de, Tagesspiegel, Welt). Das Buch selbst hat keine Preise gewonnen, dafür aber das Hörspiel zum Buch.

Produktion

Boxhagener Platz wurde von Jakob Claussen und Ulrike Putz von der Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion sowie von Nicole Swidler produziert. Der Film entstand in Koproduktion mit dem Westdeutschen Rundfunk, dem Rundfunk Berlin-Brandenburg, Arte und Studio Babelsberg/Babelsberg Film. Das Team hat keinerlei persönlichen oder biografischen Bezug zur DDR. Boxhagener Platz ist der erste DDR-Film der Produktionsfirma (vierundzwanzig.de).

Finanzierung

Produktion und Verleih wurden mit öffentlichen Mitteln gefördert. Es wurden über 2,1 Millionen Euro zur Verfügung gestellt:

Produktionsförderung (2008-2009)

Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM)

Summe nicht veröffentlicht

Deutscher Filmförderfonds (DFFF)

585.968 Euro

Medienboard Berlin-Brandenburg

300.000 Euro

Film- und Medienstiftung NRW

200.000 Euro

Filmförderungsanstalt (FFA)

300.000 Euro

Mitteldeutsche Medienförderung

600.000 Euro

Verleihförderung (2010)

Filmförderungsanstalt (FFA)

80.000 Euro

Medienboard Berlin-Brandenburg

50.000 Euro

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Claussen Putz Filmproduktion (CP Film)

Der Pandora Film Verleih gab einen Trailer sowie Material für die Presse heraus. Im Pressematerial sind Informationen zum Film, zum Cast und zur Produktion enthalten. Dazu kommen Aussagen von Geschonneck über den Ort und die Figuren, von Schulz über den Roman und das Drehbuch sowie von den Produzenten Swidler und Claussen zum Casting, zum Dreh und zur Entstehungsgeschichte. Außerdem gibt es dort Rezepte von Oma Otti. Zum Film erschienen ein Hörspiel (2010) mit den Original-Stimmen sowie ein Sachbuch in der Reihe Werkstattberichte der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf (2011), in dem Torsten Schulz erklärt, wie er vom Roman zum Drehbuch und zum Film gelangt. Auf der DVD gibt es ein Making-of.

Filminhalt

Handlung

Die Tragikomödie spielt 1968 am Boxhagener Platz in Friedrichshain. Holger Jürgens ist oft bei seiner Oma Otti, weil sich seine Eltern häufig streiten. Otti hat fünf Ehemänner überlebt. Ihrem sechsten geht es auch nicht mehr gut. Mit Holger geht sie zum Friedhof. Dort lernt sie Karl Wegner kennen – und verliebt sich. Allerdings macht ihr auch Fischhändler Winkler schöne Augen (ein Alt-Nazi). Kurze Zeit später ist Fisch-Winkler tot. Die Volkspolizei beginnt zu ermitteln und auch Holger versucht herauszufinden, wer der Täter ist. Holger und Karl verstehen sich immer besser, auch wenn der Junge nicht sicher ist, ob er hier nicht den Mörder vor sich hat. Achtung, Spoiler: Karl war es tatsächlich. Kurz vor seinem Tod gesteht er, den Fischhändler in einem Handgemenge getötet zu haben, um Ottis Mann Rudi zu retten.

Zentrale Figuren

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CP Film/Volker Roloff
Ottilie 'Otti' Henschel (Gudrun Ritter)

Ottilie 'Otti' Henschel (Gudrun Ritter) – die Mutter von Renate und Oma von Holger ist eine starke Frau. Sie hat zwei Kriege und fünf Männer überlebt, ist rabiat und spricht Berliner Dialekt. Die Beziehung zu Enkel Holger ist ihr wichtig, sie kann ihn bemuttern und bekochen, da sie ihren kranken Mann nur noch pflegen kann. Sie gehen gemeinsam auf den Friedhof und pflegen die Gräber der verstorbenen Ehemänner. Otti bekommt Geschenke und Komplimente von anderen Männern, ignoriert sie aber. Karl Wegner mag sie dagegen. Sie verspottet Walter Ulbricht als Ziegenbart und regt sich über den Fanfarenzug zum Tag der Republik auf.

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CP Film/Volker Roloff
Holger Jürgens (Samuel Schneider, l.),
Karl Wegner (Michael Gwisdek, r.)

Holger Jürgens (Samuel Schneider) – Sohn von Klaus-Dieter und Renate und Enkel von Otti. Eher ruhig und zurückhaltend. Beobachtet das Geschehen, ohne sich viel einzumischen. Er wird in der Schule wegen seinem Vater geärgert. Mit seinen Eltern, die sich oft streiten, hat er Probleme und verbringt daher viel Zeit bei Oma. Als Karl und Otti sich näherkommen, bekommt er einen Ersatzvater. Holger ist fasziniert von Karls Geschichten und Ansichten über den wahren Sozialismus. In der Schule bringt das Probleme.

Karl Wegner (Michael Gwisdek) – wird der neue Mann an Ottis Seite. Ein geheimnisvoller Mensch, der weiß, dass er Frauen beeindrucken kann. Er war Mitglied des Spartakusbundes und hat für den Sozialismus gekämpft. Die DDR hat für ihn damit nichts zu tun. Das kapitalistische System des Westens mag er aber auch nicht. Früher war Karl als „Suffkopp“ bekannt. Jetzt verfolgt er lieber politische Dinge. Allerdings fängt er wieder an zu trinken, weil alles, was er sich erträumt hat, schief gegangen ist.

Klaus-Dieter Jürgens (Jürgen Vogel) – Mann von Renate, Vater von Holger und spießiger, staatstreuer Polizist. Er bemüht sich, alles nach Vorschrift zu machen, was ihm aber meistens nicht gelingt. Klaus-Dieter versucht, übereifrig bei der Aufklärung des Mordes zu helfen. Dabei wird er immer wieder von der Kripo zurechtgewiesen und merkt mit der Zeit, dass das System eine Eigendynamik entwickelt, die er nicht gutheißen kann. Die Beziehung zu seiner Frau ist zwar liebevoll, aber dennoch unglücklich. Er wirkt hier hilflos und schwach. Als er seine Einstellung zur DDR ändert, finden die beiden wieder zusammen.

Renate Jürgens (Meret Becker) – Frau von Klaus-Dieter, Mutter von Holger und Tochter von Otti. Frisörin. Mit der DDR ist sie unzufrieden. Möchte aus dem Alltag ausbrechen und am liebsten in den Westen fliehen. Sie bleibt nur auf Zureden von Otti und wegen Holger. Klaus-Dieter ist für sie ein „kranker Versager“. Sie unternimmt viel allein (auch mit anderen Männern) und hat außerdem ein angespanntes Verhältnis zu ihrem Bruder Bodo, der sich nicht um Otti kümmert, aber trotzdem ihr Liebling ist. Ihre Mutter beneidet sie um den Männerverschleiß, wirft ihr aber gleichzeitig vor, ihren Vater nicht geliebt zu haben.

(Politische) Institutionen

Die Schule vermittelt den Kindern die Taten des „Klassenfeindes“. Die Lehrkräfte zeigen Mitarbeiter westlicher Geheimdienste, die Menschen in Prag zur Konterrevolution anstiften, aber von der Sowjetarmee aufgehalten wurden. Die Kinder sollen die deutsch-sowjetische Freundschaft verinnerlichen, finden den Unterricht aber langweilig. Wer DDR-Politiker verunglimpft, bekommt Probleme („Walter Ulbricht, der stand mit Goebels, diesem Nazi, zusammen auf einer Tribüne“).

Die Volkspolizei ist stets zur Stelle, wenn etwas passiert. Wer dort die Hierarchie verletzt, wird bestraft (beispielsweise mit Schreibstubendienst). Wo der Klassenfeind vermutet wird, gibt es ein großes Aufgebot. Die Menschen werden erst einmal verdächtigt und in Schach gehalten. Die Bevölkerung nimmt die Polizei jedoch nicht sonderlich ernst.

Gesellschaftsbild

Boxhagener Platz zeigt einen Mikrokosmos, der nicht unbedingt von Zusammenhalt geprägt ist. Die Beziehungen zwischen Partnern sind schwierig, wenn einer das System befürwortet und der andere nicht. Die Ehe ist hier entweder Rampe für die Flucht oder ein Ort der Sicherheit. Auch die Beziehungen zu den Kindern und Eltern sind nicht besser. Streiten sich die Eltern, geht der Nachwuchs zu Verwandten. Solidarität hat in diesem Film-Land andere Räume und Bezugspunkte als die Familie. Man steht für diejenigen ein, die man mag.

Die Polizei (hier ein Synonym für den Staat) gehört nicht zu diesem Mikrokosmos. Polizisten-Kinder werden gemobbt, und wer nur den kleinsten Verdacht liefert, wird sofort beschuldigt. Beamte bedrängen sogar Frauen von Kollegen und zeigen so ihre Macht. Viele Bürger schielen nach Westen – über das Fernsehen, über Musik, über Produkte. Es gibt aber auch Sozialismus-Fans, die den Westen als kapitalistisch ablehnen. Vom Prager Frühling und den Studentenunruhen erzählen die eigenen Medien nichts oder nur eine geschönte Wahrheit.

Ästhetik und Gestaltung

Als Renate in einer Diskothek tanzt, sind die DDR-Lieder „Es fängt ja alles erst an“ von Rosemarie Ambé (1968) und „Blau ist die Nacht“ vom Gerd Michaelis Chor (1968) zu hören. Als sie einen Westsender einschaltet, läuft dort "Bus Stop" von den Hollies. Oft wird die Stimmung durch Instrumentalmusik verdeutlicht. Die Figuren singen im Film auch selbst – Karl ein Lied von Rosa Luxemburg und eine Familie „Der treue Husar“. Karl und Otti reden häufiger über den Tod und Scheintote, die sich im Windrauschen noch einmal melden. Auf dem Friedhof hört man Vogelgezwitscher. Die Farben sind entsättigt und die Räume dunkel, düster, trist. Ein Braunstich führt zurück in die späten 1960er. Boxhagener Platz spielt in Friedrichshain. Als es für den Kauf eines Weihnachtsbaums auf den Kudamm geht, gibt es bunte Halogen-Werbung.

Authentizität

Strategien der Authentizitätskonstruktion

Boxhagener Platz will nicht „detailgenau die Vergangenheit aufzeigen“ (Pandora Film). Der Film wurde nicht am Originalschauplatz gedreht, da Berlin-Friedrichshain heutzutage komplett anders aussieht. Die Drehorte waren in Sachsen, Sachsen-Anhalt und vor allem im Studio Babelsberg, wo die Kulissen der „Berliner Straße“ verwendet wurden, in denen auch Sonnenallee (1999) entstand. Szenenbildner Lothar Holler sagte im Tagesspiegel, dass der Umbau schwer war, aber die Beschaffung alter DDR-Alltagsgegenstände noch schwieriger. Zwar gäbe es noch die Autos, aber altes Klopapier sei kaum zu finden gewesen. Trotzdem gibt es viele authentische Requisiten – von der Wohnungseinrichtung über den Fernseher und das Radio bis hin zur FDJ-Kleidung. Auch auf Kleinigkeiten wurde geachtet. So sieht man die Comic-Zeitschrift Mosaik, einen Kalender der BZ am Abend, Lebensmittel (Sahna, Eier-Makkaroni) und DDR-Autos. Die Kneipe „Feuermelder“, in der vor allem die Männer verkehren, gibt es auch in der Wirklichkeit. Die Musik stammt vorwiegend aus dem Jahr 1968. Es wurden einige historische Bild- und Tonausschnitte verwendet – etwa „der Originalkommentar von Karl-Eduard von Schnitzler zum Republikgeburtstag und der Fanfarenzug“ (Pandora Film), aber auch Bilder aus dem Westfernsehen von den Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg oder vom Prager Frühling. Der Film wirkt auch durch den Berliner Dialekt authentisch.

Geschonneck und Schulz sind beide am Boxhagener Platz aufgewachsen. So war es nicht nötig, Historiker hinzuziehen. Matti Geschonneck sagte, dass es im Film nicht um den Platz selbst gehe, sondern dass dieser Platz für eine Zeit, für ein Stück Berlin stehe (SPIELFILM). In diesem Doppel-Interview sagte Torsten Schulz, dass Boxhagener Platz „ein Stück Utopie für heute“ beinhalte und kein historisierender Film sei, sondern einer, der „früher spielt und eine Bedeutung für heute hat“. In Haupt- und Nebenrollen spielen viele ostdeutsche Schauspieler mit: Gudrun Ritter, Horst Krause, Milan Peschel und Michael Gwisdek.

Rezeption

Reichweite

Boxhagener Platz kam am 4. März 2010 in die Kinos und verkaufte 178.703 Tickets (FFA) – Platz 125 der deutschen Kinocharts in diesem Jahr (InsideKino). Zu sehen war der Film in 74 Kinos (Europa Cinemas). Der Film wurde am 16. Februar 2010 in der Berlinale-Sektion Special uraufgeführt (filmportal.de) und erschien am 10. September 2010 auf DVD.

Rezensionen

Boxhagener Platz wurde von vielen gelobt. Hanns-Georg Rodek wies dem Film in der Welt einen einzigartigen Platz bei der Aufarbeitung der DDR zu, weil er im Alltag spiele. Die DDR sei nun „von der Phase der Nostalgie in jene der Melancholie übergetreten“. Wolfgang Hamdorf fand im FILMDIENST, dass Boxhagener Platz „das damalige Lebensgefühl lebendig werden“ lasse, „wobei das Politische weitgehend im Privaten aufgelöst und ein pointiert unterhaltender Ton angeschlagen wird“. Gunda Bartels beschrieb den Film im Tagesspiegel als „rührend, lakonisch, nicht ostalgisch, nicht antiostalgisch“. Christina Tilmann sprach in der gleichen Zeitung von einem Hauch DEFA – ausgezeichnete Schauspieler, guter Witz und eine „geduldige Aufmerksamkeit für alle, die auf der Schattenseite stehen“. Boxhagener Platz sei „ein zärtlicher Erinnerungsfilm“ und um Ostalgie geht es nicht, sondern um die vergangene Jugendzeit. Manfred Riepe lobte für epd Film die vielen stimmigen Details, die „die Groteske des sozialistischen Alltags mit schillernder Hassliebe“ offenbaren. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen. Christian Buß im Spiegel: „Statt einem peppigen Erinnerungs-Musical wird hier eher eine Elegie aufs Sterben des Proletariats geboten. Hier bäumen sich noch einmal alte Spartakisten auf; hier erheben sich dahinsiechende Malocher von ihrem Totenbetten, um letzte Schlachten zu schlagen. Nützt natürlich alles nichts“.

Auszeichnungen

Preise

Kategorie

Jahr

Art

Preis der deutschen Filmkritik

Bester Spielfilm, Beste Kamera

2010

Nominierung

Deutscher Filmpreis

Beste Nebendarstellerin (Meret Becker)

2011

Nominierung

Prädikat besonders wertvoll

Spielfilm

2010

Auszeichnung

Erinnerungsdiskurs

Die DDR wird in Boxhagener Platz als heruntergekommen und desolat dargestellt. Im Osten sind die Tannenbäume mickrig und kahl – und im Westen schön gewachsen und dicht. In der Schule blättert der Putz von den Wänden ab. Die Bevölkerung darf nicht sagen, was sie denkt – vor allem, wenn die Ansichten von der offiziellen Linie abweichen. Polizei und Schule versuchen, die Menschen von allem fernzuhalten, was sie negativ beeinflussen könnte – besonders vom „Klassenfeind“. Boxhagener Platz wird als „Generationen-Gegensatz“ zu Sonnenallee (1999) gesehen (kino.de) und als Kontrast zu Filmen wie Das Leben der Anderen (2006), die sich auf den Unrechtsstaat fokussieren (WELT). Boxhagener Platz konzentriert sich auf den Alltag und möchte „dem Arbeiter- und Bauernstaat keine historische Note“ verpassen (Welt). Die Deutsche Film- und Medienbewertung meinte, dass Boxhagener Platz ein markantes Sittenbild der DDR zeige und „Räume der Assoziationen und Reflexionen“ öffne. Das Politische steht nicht im Vordergrund. Schuld, Sühne und der Ost-West-Konflikt finden sich lediglich „zwischen den Zeilen“ (filmreporter.de). Rainer Gansera von der Süddeutschen Zeitung sah jedoch auch „eine Überdeterminiertheit des Authentischen“.

Empfehlung

Empfehlung der Autorin

Boxhagener Platz ist eher ein Heimat- als ein Geschichtsfilm. Historische und politische Aspekte schimmern lediglich zwischen den Zeilen durch. Trotzdem eine schöne Erinnerung an die damalige Zeit und ein Blick auf den Alltag in der DDR.

Empfohlene Zitierweise

Boxhagener Platz. In: Daria Gordeeva, Michael Meyen (Hrsg.): DDR im Film 2024, https://ddr-im-film.de/de/film/boxhagener-platz