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ZDF/Julia Terjung

Die Wölfe

Kurzinformationen

Filmdaten

Titel
Die Wölfe
Erscheinungsjahr
2009
Produktionsland
Originalsprachen
Länge
270 Minuten

Kurzbeschreibung

Das Dokudrama Die Wölfe folgt einer Clique vom Berlin der Nachkriegszeit 1948 über den Mauerbau bis zum Mauerfall.

Schlagworte

Schauplatz
Genre

Entstehungskontext

Beteiligte

Regie

Friedemann Fromm. Für Tatort-Folgen wie Außer Gefecht (2007) und …es wird Trauer sein und Schmerz (2009) wurde Fromm, 1963 in Stuttgart geboren, unter anderem mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. Neben den Wölfen (2009) steht er auch für die Erfolgsserie Weissensee (2010 bis 2018, vier Staffeln).

Drehbuch

Christoph Fromm/Friedemann Fromm. Christoph Fromm, der ältere Bruder von Friedemann Fromm, wurde 1958 in Stuttgart geboren. Er studierte an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in München und arbeitet seit 1983 als Autor. Sein Roman Die Macht des Geldes (2006) beschäftigt sich mit der Wiedervereinigung.

Produktion

Regina Ziegler wurde 1944 in Quedlinburg geboren. Die Wölfe gehört zu den insgesamt 500 Produktionen von Ziegler Film. In Auftrag gegeben wurde das Dokudrama durch das ZDF, unter Leitung von Guido Knopp und Heiner Gatzemeier. Über die Produktion sagt Regina Ziegler: „Mit Die Wölfe ist uns allen gemeinsam ein packendes Stück Fernsehen gelungen.“

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Die Wölfe gibt es auf DVD – mit einer umfangreichen Übersicht über die Beiträge, die das ZDF zur Erstausstrahlung des TV-Dreiteilers 2009 gesendet hat (unter anderem im heute journal und im Mittagsmagazin).

Filminhalt

Handlung

Das Dokudrama Die Wölfe erzählt in drei Kapiteln von der gleichnamigen Clique um die Freunde Bernd, Lotte, Ralf, Silke, Jakob und Kurt. In Teil 1 (Nichts kann uns trennen) lernen sich die sechs 1948 in Berlin kennen. Bernd und Kurt wollen eine Kneipe aufmachen. Lotte möchte Sängerin werden. Ralf gibt die Hoffnung auf die Heimkehr seiner Eltern nicht auf. Silke und Jakob sind überzeugte Kommunisten. Sowohl Bernd als auch Jakob verlieben sich in Lotte.

Teil 2 (Zerbrochene Stadt) spielt kurz vor dem Bau der Mauer: Bernd besitzt mittlerweile eine Kneipe und eine Spedition. Ralf ist sein Angestellter. Kurt studiert Jura. Jakob arbeitet als Professor im Ostteil der Stadt. Silke ist für das DDR-Fernsehen tätig, und Lotte studiert Gesang. Als die Mauer gebaut wird, kommt es zur Tragödie: Bei einem Fluchtversuch wird Ralf erschossen. Jakob wird von der Stasi vor die Wahl gestellt: Entweder als Experte unter einer neuen Identität nach Moskau oder ins Gefängnis. Er entscheidet sich für Silke und für Moskau. Im Westteil denken Bernd, Kurt und Lotte, dass neben Ralf auch Jakob gestorben sei.

Kapitel 3 (Hoffnung auf Glück) spielt 1989. Bernd ist mittlerweile Bauunternehmer und hat mit Lotte eine Familie. Kurt ist Politiker bei der CDU. Die Moskauer leben wieder in Berlin und haben zwei Söhne. Bei einem Ungarn-Urlaub treffen sich die Kinder, es kommt zu einer Hochzeit und – zu einem Wiedersehen der Wölfe.

Zentrale Figuren

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ZDF/Julia Terjung
Bernd (Vincent Redetzki)

Bernd (Vincent Redeztki, Florian Lukas, Axel Prahl). Zunächst Halbwaise und mittellos, später Spediteur und Kneipenbesitzer sowie Bauunternehmer. Kapitalist und Opportunist.

Lotte (Henriette Confurius, Annett Renneberg, Barbara Auer). Fokussiert auf ihre Gesangskarriere. Ralfs Schwester. Macht Silke für den Tod ihres Bruders verantwortlich, heiratet Bernd und hat mit ihm eine Tochter und einen Sohn.

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Lotte (Barbara Auer, l.), Bernd (Axel Prahl, r.)

 

Ralf (Maximilian Werner, Constantin von Jascheroff). Der jüngste der Wölfe. Bruder von Lotte. Traumatisiert durch den Tod der Eltern. Später ein brillanter Schmuggler und Spediteur. Stirbt 1961 bei einem Fluchtversuch.

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V.l.n.r.: Martin (Max Woelky), Thomas (Florian David Fitz),
Jakob (Matthias Brandt), Silke (Johanna Gastdorf)

Jakob (Neel Fehler, Florian Stetter, Matthias Brandt). Hat jüdische Wurzeln. Keiner seiner Verwandten hat den Holocaust überlebt. Bringt den anderen das Stehlen bei. Wird später Professor und arbeitet für die Stasi als Computerexperte in Moskau.

Silke (Nina Gummich, Stefanie Stappenbeck, Johanna Gastdorf). Überzeugte Kommunistin und Sozialistin. Verliebt in Jakob, den sie von einem gemeinsamen Leben in Moskau und einer Karriere bei der Stasi überzeugt, später heiratet und mit ihm zwei Söhne bekommt. Journalistin beim DDR-Fernsehen.

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Kurt (Alijoscha Stadelmann, r.), Bernd (Florian Lukas, l.)

Kurt (Philip Wiegratz, Aljoscha Stadelmann, Felix Vörtler). Wie Bernd überzeugter Kapitalist. Studiert Jura und wird CDU-Politiker. Hat einen strengen Vater mit konservativ-antisemitischer Weltanschauung.

Gesellschaftsbild

Das Dokudrama Die Wölfe versucht sich an einem gesamtdeutschen Gesellschaftsbild – vom Beginn der Teilung bis an ihr Ende. Die ideologischen Gräben sind schon 1948 deutlich. Zwei Freunde von Lotte werden nach Sibirien geschickt, weil sie im sowjetischen Sektor Flugblätter für Freiheit und Demokratie verteilt haben. Oben am Himmel schweben Rosinenbomber. Als Silke, Bernd, Kurt und Ralf Schokoladentafeln einsammeln, werden sie von Älteren verprügelt und ausgeraubt. Der Mangel ist allgegenwärtig – in Ost und West.

Der Konflikt eskaliert in Teil 2 mit dem Bau der Mauer. Jakob kritisiert die „Durchsetzung“ wichtiger Ämter der BRD mit „Altnazis“ wie Kurts Vater. In der DDR hat er mit fehlenden Mitteln für sein Forschungsprojekt zu kämpfen. Die materielle Knappheit der Nachkriegszeit wurde aber von der ideologischen Gretchenfrage abgelöst. Eine einfache Antwort gibt es nicht. Es hilft Jakob nicht, dass er im Stasi-Verhör auf das Schicksal seiner jüdischen Familie hinweist und ein Plädoyer für den Sozialismus hält. Offenbar sind die, die ihn verhören, nicht viel anders als die „Altnazis“ im Westen.

Vor dem Fall der Mauer wird die Wirtschaft wieder wichtiger. Bernd bekommt lukrative Bau-Aufträge über seinen Freund, den CDU-Politiker Kurt. Hier ein knallharter Kapitalist und Opportunist, dort ein Macht-Politiker, die beide auf die neuen Märkte im Osten Berlins schielen und wie die Wölfe in die Nacht heulen. Ein paar Jahre später findet sich dieses Motiv auch in The Wolf of Wall Street (2013): In Scorseses Film treibt Leonardo DiCaprio als Jordan Belfort seine Angestellten ebenfalls mit animalischen Geräuschen an. Im Dokudrama Die Wölfe wird Macht mit Sex verbunden. Ein Chefredakteur stimmt nur dann einem Deal zu, wenn er dafür ein Abendessen mit einem Model bekommt. Auch die DDR ist in diesem Film janusköpfig. So wird Jakob im dritten Teil erneut mit antisemitischen Einstellungen von Stasi-Kollegen konfrontiert. Und Silke, nach wie vor überzeugte Sozialistin, geht demonstrieren.

Ästhetik und Gestaltung

Das Dokudrama Die Wölfe vermischt Dokumentar- und Spielfilm und verknüpft Archiv-Aufnahmen aus 1948, 1961 und 1989 mit neuen Szenen, die zum Teil in Schwarzweiß gefilmt wurden, um den Bildfluss zu verbessern.

Regisseur Friedemann Fromm: „Die dokumentarischen Bilder mussten Teil der fiktionalen Handlung werden. Wir versprachen uns davon, ein authentisches und realistisches Zeitgefühl in die Filme zu bekommen“.

Authentizität

Strategien der Authentizitätskonstruktion

Hier ist vor allem die Berichterstattung von Auftraggeber ZDF hervorzuheben. Der Anspruch, eine Lehrstunde zu senden, wurde am 23. Oktober 2007 im Morgenmagazin auf den Punkt gebracht: „Gemixt mit Dokumentaraufnahmen der damaligen Ereignisse, erwartet den Zuschauer Geschichtsunterricht der unterhaltsamen Art“.

Art der Fernsehbeiträge

 

Programmbereich und Ausstrahlung

Nachrichten

ZDFwochen-journal vom 31. Januar 2009

Mittagsmagazin vom 29. Januar 2009

Heute-Journal vom 28. Januar 2009

Filmvorstellung

Heute in Deutschland vom 29. Januar 2009

Filmausschnitte

Morgenmagazin vom 26. Januar 2009

Portrait Brandt

Leute heute vom 23. Januar 2009

Behind the Scenes

Morgenmagazin vom 23. Oktober 2007

Rezeption

Reichweite

Teil

Erstausstrahlung

(jeweils 20.15 Uhr im ZDF)

GfK-Daten (Publikum und Marktanteil)

Teil 1

29. Januar 2009

4,10 Mio., 13,7 Prozent

Teil 2

2. Februar 2009

3,34 Mio., 10 Prozent

Teil 3

3. Februar 2009

3,69 Mio., 11,2 Prozent

Rezensionen

Sven Felix Kellerhof kam in der Welt zu einem ausgewogenen Urteil. Einerseits monierte er die für ein TV-Drama „üblichen“ „Ingredienzen“ wie „Freundschaft und Verrat“ oder politischen „Pragmatismus bis zur Beliebigkeit und zweifelnden Idealismus“. Andererseits gab es Lob für die interessante Geschichte. Für Kellerhof stehen Die Wölfe für das „hohe Niveau“ des „fiktionalen Geschichtsfernsehens“ in Deutschland. Auch der Spiegel bewertet Die Wölfe positiv. Christian Buß: „Was als konventionelles Doku-Drama mit viel historischem Bildmaterial angekündigt wurde, entwickelt sich (…) zu einer komplexen Trümmerkindsaga, die einen ganz und gar ungefälligen Einblick ins Seelenleben der Bundesrepublik gewährt. So wurden wir, was wir sind“.

Auch Rainer Tittelbach kam zu einer positiven Bilanz: „Der Mix aus Fakten und Fiktion, aus historischem Doku-Material und gespieltem Drama nimmt einen mit auf eine spannende Zeitreise durch die deutsch-deutsche Geschichte.“ Im Interview mit dem Neuen Deutschland berichtet Darsteller Axel Prahl, dass er vor allem die „schlüssige Umsetzung des geschichtlichen Hintergrunds“ interessant fand und mit dem Stasi-Bild kein Problem habe: „Ich weiß gar nicht, ob sich ein Film neutral verhalten muss. Geschichtsschreibung hält sich stets im politischen Umfeld auf. Und es gab schlimmere Charakterzeichnungen der Stasi.“

Jochen Hieber sprach dagegen in der FAZ von einem qualitativen Bruch: So meistere das Dokudrama Die Wölfe zwar den Stoff, leide jedoch unter so manchem dramaturgischen Fauxpas (Hauptfiguren, Inzestverdacht).

Auszeichnungen

Auszeichnung

Kategorie

International Emmy Award

TV-Movie/Mini-Series 2009

Deutscher Fernsehpreis

Bester Schnitt 2009 (Annemarie Bremer)

Beste Ausstattung 2009 (Frank Godt, Monika Hinz)

Förderpreis 2009 (für die Jungdarstellerinnen und Jungdarsteller)

Goldene Nymphe

Best Mini Series 2009

Adolf-Grimme-Preis

Fiktion/Serien & Mehrteiler 2010 (Christoph und Friedemann Fromm, Heta Mantscheff)

Die Grimme-Preis- Jury begründete die Preisverleihung so: „Die Fromms erneuern (…) das Doku-Drama: Es will eine Geschichte mit dokumentarischem Anspruch sein, das Erfundene wird durch das gefundene Real-Zitat beglaubigt, das Fiktionale durch das Faktische in den Stand des So-wird-es-gewesen-sein gehoben. Dabei entsteht großes, großartig gemachtes Fernsehen, bis in die letzte Ritze fein ausgestattet. Die Wirklichkeit der Zeitläufe dringt in den Spielfilm ein, trotzdem reüssiert ihre Darstellung als Kunst.“ Die Inszenierung verpflichte das Schauspielerensemble „klug und bedacht (…) auf die eine Erzählung. Alle wirken einig im Ziel, zentrale Daten deutsch-deutscher Geschichte nicht menschelnd auszustellen, sondern in den Seelenkeller von Individuen hinabzusteigen, die keine Helden waren und keine Helden sind. Damit wird aufregende Zeitgeschichte zur einnehmenden Menschengeschichte und zum aufregenden Menschenfernsehen.“

Wissenschaftliche Aufarbeitung

Matthias Steinle (2015: 85) schreibt, dass die DDR „in deutschen Nachwendedokudramen nur als Ruine“ wiederauferstehe, „deren Verfall anhand von Krisendaten erzählt wird“. Über Die Wölfe sagt er: „Der Dreiteiler zeigt die Schicksale der Mitglieder der Jugendbande ‚Die Wölfe‘ anhand der Ereignisse um die Berlin-Blockade, den Mauerbau und den Mauerfall. Die Wahrnehmung der DDR unter krisenhaften Vorzeichen setzt sich“ in die Zukunft fort. Außerdem gibt es eine Studienarbeit von Nina Schönrock (2017) zu diesem Dokudrama.

Erinnerungsdiskurs

Sowohl viele Jurys als auch die Leitmedien sahen in dem Dreiteiler einen aussagekräftigen TV-Film über deutsch-deutsche Geschichte. Fachpresse und Wissenschaft sprechen dabei eher von einem negativen DDR-Bild. Es geht in den Wölfen aber nicht nur um den sozialistischen deutschen Staat mit Mauer, Stasi, Mangel und Demonstrationen, sondern auch um Raubtierkapitalismus, Machtpolitik und Opportunismus in der BRD.

Empfehlung

Empfehlung des Autors

Wer sich drei Mal 90 Minuten Melodramatik um eine hundert Mal gesehene Dreiecksbeziehung mit Inzestverdacht und historischen Bildern mit viel Voice-Over ansehen möchte, wird hier fündig.

Literatur

Matthias Steinle: Drei Krisen und das Wunder ihres Endes. Die DDR im Deutschen Dokudrama. In: Hans-Joachim Veen (Hrsg.): Das Bild der DDR in Literatur, Film und Internet. Köln Böhlau Verlag 2015, S. 81-101

Nina Schönrock: Geschichte im Fernsehen. „Histotainment“ oder eine ernstzunehmende Möglichkeit der Bildungsarbeit? Formate und Machern sowie Beispielen und Kritik anhand des Doku-Dramas Die Wölfe. Norderstedt: Grin Verlag 2017

Empfohlene Zitierweise

Die Wölfe. In: Daria Gordeeva, Michael Meyen (Hrsg.): DDR im Film 2024, https://ddr-im-film.de/de/film/die-woelfe